DRUCKSPIEGEL-BLOG


von Stefan Breitenfeld

22.09.2021

VDMA, Circular Economy

Gebrauch statt Verbrauch von Rohstoffen und Materialien

Fachverbandsgeschäftsführer Dr. Markus Heering gibt im Rahmen der VDMA-Interviewreihe „Circular Competence“ Auskunft zu den Plänen, Lösungen und Herausforderungen auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft. Welche Kompetenzen können Maschinenbauer beisteuern, um den ökologischen Fußabdruck von Verpackungen und anderen Druckerzeugnissen zu minimieren?

Beginnen wir mit einer Definition: Was genau verstehen Sie unter Circular Economy?

M.H.: Unter Circular Economy verstehe ich, dass wir sämtliche Stoffe, die wir in der Industrie und im Konsum verwenden, im Kreislauf führen. Nach der Nutzung müssen wir sie so aufbereiten, dass sie für eine neue Nutzung bereitstehen. Noch funktioniert das nur bei wenigen Stoffen – etwa Aluminium, Glas sowie teilweise bei Papier und Pappe. Doch das Ziel ist klar: Weg vom Verbrauch hin zum Gebrauch der Rohstoffe und Materialien, wo immer es möglich ist. Ob es gelingen kann, Gebrauchsmaterialien wie die Druckfarben oder Schmierstoffe in Maschinen zu recyceln, ist aus heutiger Sicht fraglich. Doch bei den bedruckten Substraten, ob Papier, Pappe, Kunststoffe, Glas, Holz oder Metall helfen viele unserer Mitgliedsfirmen ihren Kunden ganz konkret dabei, Materialkreisläufe zu etablieren und den ökologischen Fußabdruck ihrer Produktion zu minimieren.

Welche Relevanz hat dieses Thema für die Mitgliedsfirmen Ihres Fachverbandes?

M.H.: Der Weg in die Kreislaufwirtschaft ist für den gesamten Maschinenbau ein großes Thema. Und zwar in mehreren Dimensionen: Zunächst geht es um die eigene Produktion. Es gilt, Maschinen und Anlagen so zu designen, dass die darin verbauten Werkstoffe am Ende des Lebenszyklus komplett recycelt werden können. Relevanter und meist auch schwieriger ist aber das Recycling der auf den Maschinen verarbeiteten Materialien, zumal es dabei oft um ganz andere Stoffmengen geht. Weil die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft für immer mehr Verbraucher, in den Medien und in politischen Debatten weltweit an Bedeutung gewinnen, ist es gut, dass sich Hersteller von Konsumgütern mittlerweile sehr intensiv mit den Umweltauswirkungen ihrer Produkte und mit Recyclinglösungen beschäftigen. Hier sind die Kompetenzen des Maschinenbaus gefragt. Er muss die industrielle Umsetzung neuer recyclingfreundlicher Produktdesigns und die Verarbeitung recyclingfähiger Substrate ermöglichen, ohne dass die Qualität und die Funktion der Verpackung darunter leiden. Auch für das Recycling selbst sind effiziente Lösungen des Maschinenbaus gefragt, er ist also wichtiger Enabler.

Verändert sich die Art und Weise, wie und mit wem Unternehmen Innovation angehen?

M.H.: Der eingeschlagene Weg verändert die Prozessketten auf vielen Ebenen. Alle am jeweiligen Entwicklungs- und Fertigungsprozess Beteiligten, also Produktdesign, Materialentwicklung, Verpackungshersteller, Maschinenbauer, Konsumgüterhersteller und Recycler müssen an einen Tisch, um die Auswirkungen ihrer Lösungsansätze auf alle nachfolgenden Prozessschritte zu verstehen. Anbieter von Druck- und Papiertechnik berichten uns, dass die Akteure in den meisten Branchen noch zu fragmentiert sind. Es geht unter anderem darum, ein Bewusstsein für neue Kooperationsmodelle zu schaffen.

Warum starten Sie dazu zum jetzigen Zeitpunkt eine Interviewreihe?

M.H.: Das Thema Kreislaufwirtschaft ist nicht neu. Die Diskussionen reichen in die 1980er Jahre zurück und seitdem ist viel passiert. Aber wir sehen, dass die Anstrengungen nicht genügen. Es gelingt oftmals nicht, die global wachsenden Abfallmengen in stoffliche Kreisläufe zurückzuführen. Gerade Verbundmaterialien stellen hohe technologische Anforderungen an das Recycling – und werden daher oft thermisch verwertet. Es muss künftig auch darum gehen, den Aufwand der Trennung und Wiederverwendung durch den Einsatz sortenreiner Materialien und durch recyclingfreundliche Designs zu minimieren. Der ökonomische Aufwand muss vertretbar sein, damit sich Stoffkreisläufe weltweit durchsetzen. Bei Glas und Aluminium lohnt es sich schon heute. Bei anderen Materialien liegt noch viel Arbeit vor uns. Oft ist neues Rohmaterial viel günstiger und obendrein leichter zu verarbeiten als recyceltes Material. Doch wir möchten zeigen, dass viele unserer Mitgliedsunternehmen intensiv an Lösungen arbeiten und sich den Herausforderungen des Klima- und Umweltschutzes nicht erst seit gestern stellen.

Wie lassen sich diese Anstrengungen sinnvoll von „Greenwashing“ abgrenzen?

M.H.: Es geht nicht darum, hier und da ein Bäumchen zu pflanzen oder sich mit dem Kauf dubioser Zertifikate reinzuwaschen. Sondern es geht darum, praktikable und bezahlbare technische Lösungen zu etablieren, die das Recycling eingesetzter Rohstoffe und Materialien sowie die hochwertige, fehlerfreie Verarbeitung von Recyclingmaterialien ermöglichen. Dafür treiben Maschinenbauer hohen Entwicklungsaufwand und investieren erhebliche Summen. Es ist richtig, dass die Politik Ziele für den Ressourcen- und Klimaschutz formuliert. Doch erreicht werden diese nur, wenn es gelingt, neue, gut durchdachte industrielle Produktionsprozesse zu etablieren. Wir machen transparent, welche Anstrengungen und Herausforderungen der Weg in die Circular Economy für unsere Mitgliedsfirmen mit sich bringt. Dabei betrachten wir einen großen Teil der Prozesskette: Anbieter von Zellstoff- und Papierfabriken, von Druck-, Weiterverarbeitungs- und Veredlungstechnik leisten seriöse Beiträge zum Ressourcen- und Klimaschutz und bringen ihre Circular Competence in die Etablierung von Stoffkreisläufen ein. Sie tun das oft seit vielen Jahren, ohne darüber zu sprechen.

Viele Ihrer Mitgliedsfirmen sind im Verpackungsbereich aktiv. Ist der Maschinenbau eher Teil der Lösungen oder ein Teil des Problems?

M.H.: Ohne Verpackungen geht es nicht. Sie ermöglichen effizienten Warentransport ohne Schäden, verlängern die Haltbarkeit von Lebensmitteln, liefern Verbrauchern Produktinformationen, um nur einige Funktionen zu benennen. Doch natürlich sind Verpackungen auch ein Teil des aktuellen Problems wachsender Abfallmengen, für die es in vielen Regionen der Welt völlig unzureichende Entsorgungssysteme gibt – und die auch in Industrieländern viel zu oft in die Umwelt gelangen und nur in geringen Anteilen recycelt werden. Doch eines ist klar: Sowohl für die Produktion nachhaltiger Verpackungen wie für deren Recycling wird es auf effiziente Maschinen und Anlagen ankommen. Der Maschinenbau hat entsprechende Kompetenzen. Diese gilt es nun zu zukunftsfähigen Gesamtprozess-Lösungen zusammenzuführen.

Man kann Umweltregularien als Belastung oder als Chance verstehen, um sich frühzeitig auf weltweit benötigte Zukunftslösungen zu konzentrieren. Wie sieht es Ihre Branche?

M.H.: Die Chancen überwiegen ganz klar! Weltweite gesetzgeberische Initiativen und der Trend zu nachhaltigen Investitionen in der Finanzwirtschaft zeigen, dass sich die Perspektive ändert. Es gibt weltweit Bedarf an tragfähigen Entsorgungs- und Recyclingsystemen. Um wirklich eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren, müssen alle vorherigen Schritte der Prozesskette mit Blick auf die Recyclingfähigkeit der Produkte und Verpackungen optimiert werden. So pathetisch es klingen mag: Die Welt wartet auf Lösungen. Wir haben in Deutschland und Europa den Vorteil, dass hier wirklich alle Akteure der kompletten Prozessketten vertreten sind – und entsprechend mit vergleichsweise geringem Aufwand zusammenkommen können. Das ist unabdingbar, um ganzheitliche Lösungen für die Circular Economy entwickeln zu können.

Setzt die Politik den richtigen Rahmen für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft?

M.H.: Sie formuliert langfristige Ziele und setzt zum Teil auch richtige Anreize. Aber es gibt ganz sicher auch auf der politischen Ebene Luft nach oben. Auch die Politik muss mit an den Tisch, wenn es darum geht, Prozessketten und Stoffströme neu aufzusetzen. Denn die Entscheider sollten verstehen, welche Auswirkungen ihre regulatorischen Ansätze auf die verschiedenen Prozessschritte haben und wie es gelingen kann, die notwenige Forschung und Entwicklung in fachübergreifenden Netzwerken durch gezielte Anreize und das Aufsetzen passgenauer interdisziplinärer Forschungsprogramme zu fördern. Spannend wäre es beispielsweise, zu klären, welche Beiträge die Digitalisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Neuorganisation der Materialströme leisten können. Wir stehen vor gewaltigen Aufgaben. Aber wenn wir all unsere Kompetenzen zusammenbringen, können wir sie lösen.

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