NEWS

(14.03.2016 / saj)

"Auf dem Weg in die digitale Zukunft"

Stephan Plenz (Bild), Heidelberg-Vorstand Equipment, erklärt in einem VDMA-Interview, wie leicht man bei der Auftragsabwicklung zwischen analoger und digitaler Drucktechnik wechseln kann, welche Rolle er der neuen 4-D-Technik zutraut und auf welche Wachstumsmärkte sich sein neu ausgerichteter Konzern konzentrieren wird.

Die Heidelberger Druckmaschinen AG präsentiert sich auf der Drupa als Treiber des digitalen Wandels - mit innovativen Lösungen für die digitale Vernetzung von Druckereiprozessen und mit neuer digitaler Drucktechnik. Herr Plenz, mit welchen Botschaften gehen Sie nach Düsseldorf?  
Unser Drupa-Motto ist "Simply Smart". Wir werden der Industrie einen Weg in die digitale Zukunft weisen. Bei uns wird man sehen, wie eine voll integrierte, voll vernetzte Druckerei aussieht, wie wir uns das perfekte Zusammenspiel von Equipment, Services und Verbrauchsmaterialien vorstellen – und vor allem welchen Nutzen unsere Kunden davon haben werden. Das Ganze ruht auf drei Säulen: der Smart Print Shop – also die vernetzte Druckereitechnik, die Smart Services – also datenbasierter Service, der unsere Kunden bei der optimalen Nutzung ihrer Anlagen unterstützt, und als drittes die Smart Collaboration, worunter wir gemeinsam mit den Kunden betriebene Lösungen verstehen, etwa E-Commerce-Plattformen oder Cloud-basierte Prozesse.


Heidelberg richtet sich neu aus. Was sind die zentralen Neuerungen? 
Ziele sind die stärkere Fokussierung auf Wachstumsmärkte und Kundenwünsche. In der Vergangenheit ging es teils mehr um Technologien an sich als um ihren konkreten Nutzen. Wir rücken nun stärker in den Mittelpunkt, wie Kunden mit unseren Technologien, Maschinen und Leistungen ihre Wertschöpfung und Profitabilität optimieren können. Wenn ein Kunde dank unseres Workflow-Managements "Prinect" bei der Umrüstung von einem Auftrag zum nächsten 6 Min. spart, dann macht das bei 4000 Aufträgen im Jahr 400 Arbeitsstunden. Solche Potenziale wollen wir unseren Kunden aufzeigen, damit wir sie gemeinsam heben können. Digitale Workflows spielen eine zentrale Rolle. Auch auf der Drupa stellen wir die Digitalisierung in den Mittelpunkt. Wobei es wichtig ist, zwischen der Digitalisierung und dem Digitaldruck zu unterscheiden. Die Herausforderung sehen wir vor allem in der Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette – also Industrie 4.0. Hier greifen wir mit Prinect und unserem User-Interface auf der gesamten Produktpalette an – also sowohl im Offset- als auch im Digitaldruck und von der Prozessplanung und Prozesssteuerung über den Prepress-Bereich, den wahlweise digitalen oder analogen Druckprozess bis zur Weiterverarbeitung und zu den Services. Diese Vernetzung ist der große Hebel zu mehr Profitabilität unserer Kunden. Digitalisierung und Automatisierung werden unsere Industrie verändern.


In Ihren Prinect-Lösungen ist Print 4.0 weitgehend umgesetzt…
Absolut. Wir arbeiten seit 15 Jahren am digitalen Workflow und gehen von den Rohdaten der Kunden aus über die Vorstufe in die Einstellungen der Maschinen bis zum Farbaufbau im Druckprozess – und sind hier ein gutes Stück weiter als andere Industrien. Industrie 4.0 ist in der Druckbranche vielerorts schon Realität. Wobei letztlich auch der Offsetdruck heute bis auf das Einspannen der Druckplatten ein voll digitaler Prozess ist. Die Einbindung analoger und digitaler Druckmaschinen in ein- und dieselbe Prozesskette, die über ein einheitliches digitales Front-End bedient wird, bieten wir als einziger Anbieter. Druckereien können so völlig frei entscheiden, ob sie einen Auftrag digital oder analog drucken. Ihre Kunden werden keinen Unterschied sehen, weil das Colormanagement der Offset- und Digitalanlagen von Heidelberg exakt harmonisiert ist. Es ist also möglich, eine große Auflage analog zu drucken und sie dann bei Bedarf in derselben Qualität mit identischem Farbbild digital nachzudrucken.


Welche Ansätze und Lösungen verfolgt Heidelberg im Digitaldruck? 
Wir bauen unser Digitaldruckportfolio konsequent aus, da wir hier eins der großen Wachstumssegmente der Zukunft sehen. In dem von sinkenden Auflagen und häufigen Auftragswechseln geprägten Marktumfeld hat er den großen Vorteil, praktisch ohne Rüst- und Anlaufzeiten auszukommen. Wir adressieren mit unseren Digitaldruckmaschinen den klassischen Werbedruck, jetzt auch den Verpackungsbereich, den Etikettendruck und den Direktdruck auf Objekte. Gerade haben wir entschieden, die gesamte Produktlinie unter dem Namen "Fire" anzubieten. Auf der Drupa werden wir unsere neue Primefire 106 für industrielle Digitaldruckanwendungen im B1-Format vorstellen, in die neben dem Inkjet-Know-how unseres japanischen Partners unsere druckereispezifischen Kernkompetenzen eingeflossen sind – etwa unsere berührungslose Papierbogenführung oder unsere bewährte An- und Auslegertechnologie. Bisher gab es im Verpackungsmarkt keine digitale Lösung im Format 70 x 100 cm mit einer Auflösung von 1200 dpi, welche die hohen Qualitätsanforderungen erfüllt. Verpackung differenziert Produkte, ihr Erscheinungsbild muss perfekt sein.


Welche Gewichtung hat der Digitaldruck neben dem traditionellen Offsetgeschäft? 
Er ist neben den Verbrauchsmaterialien und dem Verpackungsdruck das wichtigste Wachstumsfeld für Heidelberg. Auch wenn der Offsetdruck allein schon aufgrund seiner Größe das Rückgrat unseres Unternehmens bleibt, dürfen wir den Digitaldruck keineswegs unterschätzen. Kunden haben begrenzte Budgets für Investitionen – und lenken diese zunehmend in Richtung Digitaldruck. Darum suchen wir in diesem Bereich mit unseren Partnern aus Japan Lösungen für bestehende Märkte und für zukünftige, noch gar nicht existierende Geschäftsmodelle. Ein Beispiel ist unsere 4-D-Technik "Omnifire" – mit der Kunden Objekte personalisieren und individuell bedrucken können. Seien es Fußbälle, Verpackungen oder in Zukunft vielleicht auch Autos oder Flugzeuge. Wir haben in dieser Linie eine Maschine, die Objekte bis 300 mm bedruckt. Demnächst kommt die Omnifire 1000, die bis zu 1 m große Produkte bedruckt. Und wir arbeiten an einer auf Roboter montierten Omnifire XL, die eine Alternative zur individuellen Lackierung sein wird.


Im Zuge Ihrer Neuausrichtung ist das Zitat gefallen, dass Heidelberg künftig eher 15.000 spezialisierte Druckereien als 200.000 Generalisten bedienen wird. Müssen Ihre Bestandskunden bangen?
Das ist vielleicht falsch zu verstehen. Die Marktentwicklung zeigt, dass kleinere Druckereien zunehmend verdrängt werden – und sich nur die investierenden Betriebe im Markt behaupten. Das sind die 15.000. Es ist ja nicht so, dass wir die anderen nicht mehr wollen, sondern dass sie nicht mehr da sind; oder zumindest nicht mehr in Drucktechnik investieren. Selbstverständlich betreut unser Service auch in Zukunft alle Maschinen bei unseren Bestandskunden und wir beraten und beliefern jeden Kunden mit der gleichen Aufmerksamkeit.


Wie weit sind Sie bei der Straffung ihres Portfolios im Bogenoffset?
Die großen Schnitte liegen hinter uns. Natürlich prüfen wir fortlaufend, welche Maschinen und Anlagen in unserem Portfolio im Markt erfolgreich und wirtschaftlich zu produzieren sind. Wir haben Überkapazitäten abgebaut, unser Portfolio gestrafft und es auf Wachstumsmärkte wie den Verpackungsdruck und industriellen Druck ausgerichtet.


Sie hatten auch die Verbrauchsmaterialien als Wachstumsfeld angesprochen… 
…wir bieten unseren Kunden getestete Farben und Chemikalien aus einer Hand. Wenn ein Kunde z.B. im Lebensmittelbereich arbeitet, geht es nicht nur darum, dass die Farben lebensmittelecht sind, sondern auch die Reinigungsmittel, Schmierstoffe usw. Die Entwicklung geht klar in Richtung Low-Migration – also Verbrauchsmaterialien, die wenig Schadstoffe abgeben. Darum arbeitet unsere neue, große Digitaldruckmaschine mit wasserbasierten Tinten – und geht bewusst aus dem UV-Bereich heraus.


Welche weiteren Ansätze verfolgen Sie im Green Printing?
Für uns ist Green Printing ein zentraler Baustein unserer Strategie. Da geht es nicht nur um umwelt- und gesundheitsverträgliche Verbrauchsmaterialien, sondern auch um den Energieverbrauch, etwa im Bereich der Trocknungsverfahren. Als einziger Anbieter im Markt bieten wir unsere Anlagen auch CO2-neutral an. Das ist Teil der Zukunftssicherung für unsere Kunden in aller Welt. Sie müssen jederzeit in der Lage sein, ihre Prozesse an die Veränderungen in gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Damit sie das können, treten wir in Vorleistung. Daneben bedeuten Smart Services aber auch, dass wir unsere Kunden dazu ertüchtigen, ihre Performance und Produktivität anhand von Prozessdaten und anonymisierten Benchmarks zu optimieren, vorausschauende Wartungspläne zu erarbeiten oder mit Reparaturen nicht so lange zu warten, bis eine Maschine ausfällt, sondern Prävention zu betreiben. Alles das folgt der festen Überzeugung, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn auch unsere Kunden es sind.


Welche Rolle spielt die Kooperation mit Partnerunternehmen in ihrer Forschung und Entwicklung? 
Kooperation wird angesichts der heutigen Entwicklungsgeschwindigkeit immer wichtiger. Wir arbeiten auf Augenhöhe mit unseren Partnern und tauschen Mitarbeiter aus, weil es sich um weit mehr als eine Lieferantenbeziehung handelt. Wir bringen sehr viel Know-how rund um den Workflow, Steuerung, Hardware und Papiertransport sowie unsere Verständnis der Kundenbedürfnisse in unserer Industrie ein und wir fusionieren dies mit dem jeweils spezifischen Know-how unserer Partner, ob das nun Modulhersteller wie Fujifilm und Ricoh oder OEM-Partner wie Masterworks und Polar sind.


Heidelberg hat 2004 seine Digitaldruck-Aktivitäten an den damaligen Joint-Venture- Partner Kodak veräußert. War das rückblickend ein strategischer Sündenfall?
Wir haben damals viel investiert, aber der Zeitpunkt hat nicht gestimmt und wir waren in Summe vielleicht auch nicht breit genug aufgestellt. Wir haben dann 2010, als die Zeit reif war, an die damalige Entwicklung angeknüpft und zwar mit dem klaren Ziel, ein ganzes Digitaldruckportfolio aufzubauen. Von Heidelberg ist im Digitaldruck noch einiges zu erwarten. Damals aber war die Trennung richtig und auch aus finanzieller Sicht unausweichlich. Es macht keinen Sinn, stur zu beharren, wenn der Markt nicht reif ist. 


Die Entwicklung in China treibt viele Druckmaschinenbauer um. Wie bewerten Sie die Lage?
China war in den letzten Jahren ein extrem guter Markt. Wir sind dort sehr lange aktiv, seit Anfang der 90er-Jahre mehr am Wachstum beteiligt als andere Unternehmen und haben eine eigene Fabrik und eine Vertriebsorganisation mit insgesamt fast 1000 Mitarbeitern vor Ort. China wird für uns wichtig bleiben. Die Schwankungen erfreuen niemanden, aber wir sind überzeugt, dass eine Erholung eintreten wird. Das Potenzial ist angesichts der Größe des Binnenmarkts und des zunehmenden Konsums zweifellos da.


Wie bewerten Sie die Wettbewerbssituation dort? 
Im Druckmaschinenbereich sind die chinesischen Hersteller noch nicht so weit wie wir. Immer mehr Kunden dort setzen wegen steigender Löhne auf Automation, womit sich die lokalen Anbieter schwer tun. Anders ist es in teilweise in der Weiterverarbeitung, wo wir mit chinesischen Partnern kooperieren. Sie können die erwartete Qualität zu Kosten anbieten, die wir hier in Deutschland nicht realisieren können.


Die Druckindustrie befindet sich im Wandel. Wo sehen Sie die Branche und Heidelberg im Jahr 2030?
Das gedruckte Volumen weltweit ist recht stabil. Es wird aufgrund des Wachstums im Verpackungsbereich, das von Schwellen- und Entwicklungsländern getrieben ist, stabil bleiben oder laut Prognosen sogar noch weiter wachsen. Auch die Personalisierung wird tendenziell zum höheren Druckvolumen und steigenden Umsätzen beitragen. Dagegen wird sich die digitale Informationsübermittlung negativ auf die Volumina im Zeitungs- und Journaldruck auswirken. Gleiches gilt auch für Nachschlagewerke, wogegen es auch 2030 noch einen großen Büchermarkt geben wird. Die Druckindustrie wird sich stark verändern, und jenseits des Papiers neue Märkte erschließen. Etwa den Druck auf Objekte, möglicherweise auch auf 3-D-"gedruckte" Objekte. Druck bleibt im Alltag omnipräsent – und wir sind fest überzeugt, dass der Markt auch weiterhin einen verlässlichen Partner wie Heidelberg brauchen wird.