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(14.10.2014 / saj)

Zeitungsproduktion: Wenig Offsetinvestitionen − Digitaldruck in der Warteschleife

Anders als in früheren Jahren konnte die Koenig & Bauer AG (KBA) auf der World Publishing Expo jetzt nicht von einem Auftragsboom aus der Zeitungsindustrie berichten. Die Investitionsflaute bei Offsetrotationen für den Zeitungs- und Publikationsdruck habe sich nach einem kleinen Zwischenhoch im Jahr 2010 danach eher verstärkt und dürfte im aktuellen Jahr bei neuen Rollenoffsetanlagen mit einem Auftragsvolumen von unter 300 Mio. Euro ein neues Tief erreichen.

Mögliche interessante Geschäftsmodelle mit High-Volume-Digitaldruck-Anlagen wie der KBA Rotajet (siehe Produktmeldung rechts) werden in der Branche zwar eifrig diskutiert, gelegentlich auch getestet, bei den dafür notwendigen Anlageinvestitionen halten sich die Zeitungsverlage aber noch sehr zurück. Wie so oft in der langen Geschichte der Zeitungsindustrie sind Pioniere gefragt. Christoph Müller, Vorstand für den Bereich Rollendruckmaschinen, brachte es auf den Punkt: "Digital bringen klassische Zeitungshäuser derzeit zuerst mit online oder mobile in Verbindung."  

 

Wie andere etablierte Lieferanten der Zeitungsbranche ist das Würzburger Unternehmen seit einigen Jahren gezwungen, seine Kapazitäten und das Personal für dieses Marktsegment mit hohen Kosten an die stark geschrumpfte Nachfrage anzupassen und die Organisation neu auszurichten. Müller: "Das ehemals große Marktsegment 'Rollenoffsetdruck' mutiert vom Volumen- zum Nischenmarkt. Dies macht es für die Lieferanten schwierig, das gewohnte Niveau an F&E und kostenloser Beratung aufrechtzuerhalten. Wir tun unser Bestes und haben uns als Produkthaus schlank aufgestellt."  


Fit für den Wandel


Über den seit Jahresbeginn unter dem Motto "Fit@All" laufenden Umbau der Gruppe berichtete der Vorstandsvorsitzende Claus Bolza-Schünemann. Mit den Arbeitnehmervertretern an den deutschen und österreichischen Produktionsstandorten hat man in den letzten Monaten bereits Regelungen für den Abbau von gut 1000 von insgesamt bis zu 1500 Stellen gefunden. Mehr als die Hälfte fallen an den Rollenstandorten Würzburg, Trennfeld und Frankenthal weg. Ein neues Standortkonzept im Bereich der Produktion soll Parallelaktivitäten vermeiden und führt derzeit zu umfangreichen Verlagerungen im Bereich der Fertigung. Als eine aus seiner Sicht sehr wichtigen Maßnahme nannte er die Schaffung eigenverantwortlicher Geschäftseinheiten (Business Units, hier auch 'Produkthäuser' genannt) mit klarer Umsatz- und Ergebnisverantwortung für die Segmente der Rollenmaschinen, Bogenmaschinen, Spezialmaschinen (dazu gehören u.a. auch die Bereiche des Banknoten- und Digitaldrucks) und Produktion. 


Bolza-Schünemann: "Wir müssen unsere Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in allen Bereichen nachhaltig stärken. Dafür brauchen wir mehr Transparenz und mehr strategische Flexibilität. Eine Dachgesellschaft (Holding) mit wenigen Zentralfunktionen, einem kleinen Vorstand und darunter angeordneten operative Einheiten mit eigenen Geschäftsführern kommt unseren Zielen entgegen."  


Der KBA-Chef machte aber auch deutlich, dass Gesundschrumpfen und Reorganisieren alleine nicht reichen, um den rasanten Strukturwandel in großen Teilen der Druckbranche zu bewältigen: "Schrumpfenden Märkten wie dem Zeitungs-, Akzidenz- und Publikationsdruck stehen Wachstumsmärkte wie der Verpackungs-, Digital- und Kennzeichnungsdruck sowie Spezialmärkte wie der Banknoten-, Blech- oder Glasdirektdruck gegenüber. Dort wollen wir unsere heute schon starke Position sichern und im Rahmen der Möglichkeiten weiter ausbauen. Kapazitätsanpassung und Neuakquisitionen schließen sich dabei nicht aus, solange die Liquidität stimmt. Dies ist bei KBA der Fall." 


Als Beispiele nannte er die 2013 vollzogenen Übernahmen der im Wachstumssegment der flexiblen Verpackungen tätigen heutigen KBA-Flexotecnica S.p.A. in Italien sowie der im Premium-Nischenmarkt für Glas-Direktdekoration tätigen KBA-Kammann GmbH in Bad Oeynhausen.  

 

Compact hat sich durchgesetzt


Der von dem Unternehmen im Jahr 2000 mit der Cortina und 2007 mit der Commander CT eingeführte bedienerorientierte Compact-Leitgedanke im Druckmaschinenbau hat sich, wie verlautet, am Markt durchgesetzt und wird inzwischen auch von anderen Herstellern beworben. Mittlerweile sind 19 Cortina- und 26 Commander-CT-Rotationen in Produktion, zehn davon mit Heatset-Trocknern für Semi-Commercials. Die jüngsten CT-Anlagen wurden dieses Jahr in Baden-Baden und im schweizerischen Aarau in Betrieb genommen. 


Im Wasserlos-Offsetverfahren druckende Cortina-Anlagen liefen in Trier (Bild) und im norwegischen Trondheim an. In den letzten Jahren ist angesichts sinkender Auflagen in den Industrieländern die Nachfrage nach solchen High-End-Anlagen gesunken. Stärker gefragt waren modular gestaltete, auch nachträglich automatisierbare Maschinen wie die 2011  vorgestellte Commander CL. Anlagen dieses Typs sind dieses Jahr bei Pressedruck Potsdam, beim "Main-Echo" in Aschaffenburg und bei "Ouest-France" in Rennes angelaufen.  

 

In Deutschland sind inzwischen drei Cortinas (in Trier, Freiburg und Düsseldorf) mit integrierten Lackwerken für die Produktion akzidenzähnlicher Produkte ausgestattet. Die Anwender erreichen durch die Druckveredelung neue Auftraggeber aus der Wirtschaft und der Kreativszene. Das Zusatzgeschäft verbessert die Auslastung und Wirtschaftlichkeit. 


Die Möglichkeit der Inline-Lackierung von Coldset-Drucken ist bisher aus verfahrenstechnischen Gründen auf den wasserlosen Offset beschränkt. KBA empfiehlt aber, die heute gegebenen technischen Möglichkeiten für auffällige Werbeformate wie Superpanorama, Half-Cover, Smart-Flap oder Zip’n’Buy auch an konventionellen Nassoffset-Rotationen verstärkt zur Attraktivitätssteigerung zu nutzen und bietet entsprechende Nachrüstungspakete an. Die reine Konzentration auf das Sparen bei Inhalt, Optik, Personal und Technik berge für die gedruckte Zeitung mehr Risiken denn Chancen.  

 

Angesichts der Neigung, vorhandene Anlagen länger zu nutzen, hat das Würzburger Unternehmen sein Service-Portfolio für Eigen- und Fremdanlagen erweitert. Maschinenüberholungen und -umzüge, Nachrüstungen (z.B. für neue Werbeformate) und Umbauten, Software-Updates, Wartungspakete und die technische Komplettbetreuung der Anlagen mit vor Ort stationiertem Personal von KBA oder der Print--HouseService GmbH hätten gegenüber dem Neumaschinengeschäft erheblich an Bedeutung gewonnen, heißt es.