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(15.11.2013 / atz)

Gallus sieht kein Wachstums-Limit bei Verpackungen

Neue Medien, neue Technologien und eine Verschiebung der Märkte haben die deutsche Druck- und Papiertechnik verändert. Die Unternehmen dieser Branche stellen sich den Herausforderungen und erkennen immer mehr auch die Chancen dieser Veränderung. Der VDMA stellt in einer Interview-Serie einige Unternehmen vor.

Pro Monat wird ein Interview mit einem Vertreter der Branche veröffentlicht - aktuell mit Matthias Boog, Mitglied der Geschäftsleitung der Gallus Gruppe und dort speziell verantwortlich für den Geschäftsbereich Faltschachteln. Die Gruppe ist außerdem im Etikettendruck und im Siebdruck tätig.

Faltschachteln sind ein relativ neuer Geschäftszweig der Gallus Gruppe. Was für eine Rolle spielt dieser Geschäftsbereich?

Matthias Boog: Faltschachteln machen bei uns inzwischen einen nennenswerten Teil unserer Umsatzes aus. Es ist ein Geschäft, das wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen werden. Wir sind 2007 in diesen Bereich gegangen, weil wir neben den angestammten Geschäftsbereichen Etikettendruck und Siebdruck noch ein weiteres Standbein gesucht haben.

Befürchten Sie zunehmende Konkurrenz, weil immer mehr Anbieter von Drucktechnik in den Markt für Verpackungsdruck gehen?

Boog: Im Augenblick sehen wir das nicht. Der derzeit hohe Wettbewerbsdruck resultiert vielmehr aus der Spitze der Prozesskette: Die Handelsketten drängen die Markenartikler zu Preisnachlässen, diese geben den Druck weiter an die Druckereien und diese an die Lieferantenkette, zu der wir gehören. Ausgelöst wird dieser Prozess vom Verbraucher, der billigere Produkte haben möchte. Mittelfristig, also in etwa drei bis vier Jahren kann ich mir aber gut vorstellen, dass neue Wettbewerber auf den Markt kommen. Es dauert schließlich eine Weile, bis ein Maschinenbauer ein neues Produkt entwickelt.

Welche Zukunft hat Druck und Papier?

Boog: Die Bedeutung für den Verpackungsbereich wird auf jeden Fall weiter zunehmen. Verpackung spielt am Point of Sale die entscheidende Rolle, nicht nur in puncto Marketing, sondern auch bezüglich Produktschutz, also Sicherheit des verpackten Gutes. Der Verbraucher entscheidet am Verkaufspunkt, was er haben will, und dabei gibt die Verpackung den Ausschlag. Solange die Weltbevölkerung wächst, wird auch der Markt für Verpackungen wachsen. In vielen Ländern Asiens wächst eine kaufkräftige Mittelschicht heran, die hochwertige Verpackungen zu schätzen weiß. Auf der anderen Seite helfen Verpackungen beispielsweise dabei, Lebensmittel zu schützen. Es gibt Studien, die besagen, wenn alles richtig verpackt wäre, gäbe es keinen Hunger mehr auf der Welt.

Welche Zukunft haben Faltschachteln bei Gallus?

Boog: Wir verfolgen ganz klar eine Wachstumsstrategie. Bislang sind wir nicht flächendeckend am Markt vertreten. Unsere Schwerpunkte liegen heute in Asien, dem Mittleren Osten und Nordamerika. Europa und hier vor allem Deutschland sind noch ein weißer Fleck auf unserer Vertriebskarte. Das wird sich ändern.

Wieso ist Deutschland noch kein Faltschachtelmarkt für Gallus?

Boog: In Deutschland gilt es zwei Vorbehalte auszuräumen: Zum einen stehen wir hier mit unserer Inline-Produktion allein – also der Integration verschiedener Arbeitsschritte in einer Maschine von der Vorstufe über das Zuschneiden der Kartonrolle, den Druck bis zur Veredlung und dem Stanzen. Inline-Prozesse wie unsere sind relativ neu. In den aufstrebenden Ländern Asiens stehen unsere Kunden solchen Neuerungen viel aufgeschlossener gegenüber als das bei uns zuhause der Fall ist. Der zweite Vorbehalt betrifft unser Druckverfahren. Flexodruck galt lange Jahre vielen als nicht hochwertig genug. Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahren enorme Innovationen im Flexodruck gegeben. Das Ergebnis ist eine beachtliche Qualitätssteigerung. Mit diesem Verfahren sind wir jetzt in den Top-Segmenten der Verpackung angekommen. Ich bin sicher: In ein bis zwei Jahren wird hier in Deutschland der Knoten platzen. Dann wird der Flexodruck auch für höchste Ansprüche voll akzeptiert sein.

Gallus kooperiert im Vertrieb mit der Heidelberger Druckmaschinen AG. Gallus kommt vom Rollenflexodruck, Heidelberg vom Bogenoffset. Wo sind da Berührungspunkte?

Boog: Gallus hat in jedem Geschäftsbereich einen eigenen Vertrieb mit einem Netz an Niederlassungen. Bei der Kooperation mit Heidelberg geht es in erster Linie darum, für das Faltschachtelgeschäft von Gallus einen besseren Marktzugang zu bekommen. Es geht um gemeinsame Projekte, in der Heidelberg ihre Maschinen und wir unsere zum Einsatz bringen. Der Name Heidelberg ist überall ein Türöffner.

Angesichts knapper werdender Ressourcen ist das Wort Nachhaltigkeit in aller Munde. Sind Verpackungen nachhaltig?

Boog: Ob eine Verpackung als nachhaltig angesehen wird oder nicht, hängt von der Perspektive des Verbrauchers ab. Er ist die entscheidende Variable. Er nimmt am Point of Sale das Produkt aus dem Regal, das er haben will. Aus Sicht des Maschinenbauers kann es nur unser Ziel sein, möglichst nachhaltig zu produzieren. Da sind wir mit unserer Inline-Produktion der Faltschachteln schon gut im Rennen. Wenn wir viele Produktionsschritte hintereinander in einer Maschine abwickeln, brauchen wir weniger Platz, weniger Transport innerhalb der Halle, wir machen weniger Abfall und benötigen weniger Energie. Ein weiterer Punkt ist Recycling. Der Anteil von recyceltem Material am Packmaterial nimmt immer mehr zu. Damit sparen wir Frischfasern. Außerdem bieten wir unseren Kunden an, statt mit UV-Farben mit wasserlöslichen Wasserfarben zu drucken und in Heißluft zu trocknen. Damit verzichten wir auf Chemie. Wir merken, dass die Kunden zunehmend Wert auf Ressourcen- und Energieeffizienz legen.

Auf einen Blick

Die Anfänge der schweizerischen Gallus Gruppe liegen im Jahr 1923. Gallus begann damals mit der Herstellung von Etiketten-Druckmaschinen. Dieses Geschäftsfeld ist heute eins von dreien. Neben dem Siebdruck ist das Geschäft mit Faltschachteln, das seit 2007 betrieben wird, das dritte und jüngste Standbein. Das Unternehmen befindet sich zu 70 Prozent im Besitz der Gründerfamilie Rüesch. 1999 beteiligte sich Heidelberger Druckmaschinen mit 30 Prozent. Mit 580 Mitarbeitern erwirtschaftete Gallus 2012 einen Umsatz von 193 Millionen Schweizer Franken.