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(09.10.2013 / atz)

Offset- und Inkjet-Zeitungsdruck aus einer Hand

Die Koenig & Bauer AG (KBA) hat in 2012 knapp 40 Prozent und im laufenden Jahr über 40 Prozent der von der internationalen Zeitungsindustrie vergebenen Aufträge für neue Zeitungsrotationsanlagen erhalten. Trotz des hohen Marktanteils reicht das nicht aus, um die bereits deutlich reduzierten Kapazitäten des Weltmarktführers zu füllen.

Seit 2006 ist das Volumen der Neuinvestitionen in Zeitungsdrucktechnik um über 70 Prozent auf unter 300 Mio. Euro geschrumpft. In der Pressekonferenz des Unternehmens zur World Publishing Expo (WPE) in Berlin wies der KBA-Vorstandsvorsitzende Claus Bolza-Schünemann darauf hin, dass die in 2010 noch erwartete Belebung des Marktes für neue Zeitungstechnik aus strukturellen und konjunkturellen Gründen (Medienwandel, Eurokrise) nicht eingetreten ist und man sich angesichts der Medienentwicklung, der Konzentrationstendenzen und der Neuorientierung in der Zeitungsbranche mittelfristig eher auf einen weiteren moderaten Rückgang bei den Investitionen in neue Offsetrotationen, Vorstufen- und Versandraumtechnik als auf eine signifikante Erholung einstellen sollte.

Nach neuesten Marktanalysen erreichten die Umsätze der Lieferindustrie mit neuen Akzidenz- und Zeitungsrotationen (ohne Gebrauchtmaschinen, Service und Verbrauchsmaterialien) nach 1,7 Mrd. Euro in 2007 mit 600 Mio. Euro im Krisenjahr 2009 einen Tiefpunkt und gingen nach einem kurzzeitigen Anstieg auf 800 Mio. Euro in 2010 wieder auf 630 Mio. Euro in 2012 zurück. Für 2013 erwartet KBA einen weiteren Rückgang auf ca. 500 Mio. Euro. Bis 2015 geht man davon aus, dass bei etwa 400 Mio. Euro die Talsohle bei den jährlichen Investitionen in neue Rollenoffsettechnik erreicht wird. Vor diesem Hintergrund hält Bolza-Schünemann die bisherige Kapazitätsreduzierung auf der Anbieterseite noch nicht für ausreichend und marktkonform.

Zusätzliches Geschäft mit Inkjet-Digitaldruck

Neben einer weiteren Kapazitätsanpassung will KBA den geringeren Umsatz mit neuen Rollenoffsetmaschinen soweit wie möglich durch mehr Servicegeschäft, ein breiteres Portfolio für den weiter wachsenden Verpackungsdruck und das neue Geschäftsfeld Digitaldruck kompensieren. Vor diesem Hintergrund hat KBA sein bewährtes und innovatives Offset-Programm für die Zeitungsindustrie um die Digitaldruckanlage KBA Rotajet (Foto) erweitert, die den Messeauftritt des Unternehmens in Berlin auf dem KBA-Stand und den im Media Port "Power of Print" eingerichteten Digital Pavillon prägte. Laut Bolza-Schünemann wurden inzwischen zwei Rotajet-Anlagen in andere Marktsegmente verkauft und KBA registriert neben dem zunächst adressierten Bücher-, Direct Mail- und Werbedruck zunehmendes Interesse aus der Zeitungsindustrie.

Bolza-Schünemann: "Die KBA Rotajet ist die einzige Inkjet-Rotation eines klassischen Offsetmaschinenbauers. Wir sind seit fast 200 Jahren in der Zeitungsindustrie aktiv und kennen ihre Anforderungen besser als andere Digitaldruck-Lieferanten, die vorwiegend im Office-Bereich groß geworden sind. Das uns entgegengebrachte Vertrauen wollen wir nutzen, um der Branche neue Geschäftsmöglichkeiten in Verbindung mit der KBA Rotajet aufzuzeigen. Da wir beides – Offset- und Digitaldruck – anbieten, können wir dies mit besonderer Objektivität tun. Die jeweilige Produktionsstruktur und die Wirtschaftlichkeit eines möglichen Digitaldruck-Einsatzes sind entscheidende Kriterien bei der Investitionsberatung."

Oliver Baar, bei KBA Projektmanager für Business Development Digital Web Presses, vertiefte die Ausführungen des Vorstandsvorsitzenden zum digitalen Zeitungsdruck. Leicht provokativ verglich er den Zeitungsdruckmarkt mit einem Baum, an dem die süßen, aber noch nicht überreifen Früchte vor allem in der Mitte und ganz oben hängen. Während das heutige Zeitungs- und Beilagengeschäft aus seiner Sicht nur noch ein limitiertes Marktpotenzial bietet, sieht er im Digitaldruck durch die noch konsequentere Zielgruppenorientierung der Zeitung (hyperlokale oder interessenspezifische Kleinauflagen), die Erweiterung des Print-Portfolios zur Leser- und Kundenbindung bzw. Erreichung neuer Kundenkreise sowie die sehr flexibel mögliche Vernetzung von Print- und Online-Medien noch Möglichkeiten für ein nachhaltiges und profitables Zusatzgeschäft.

In diesem Zusammenhang zitierte Oliver Baar den amerikanischen Finanzinvestor Warren Buffett, der in den USA gegen den Trend über 30 Regional- und Lokalzeitungen erworben hat und die einseitige Kostensenkungsstrategie der amerikanischen Zeitungsindustrie zu Lasten des Inhalts oder der Erscheinungsfrequenz kritisiert. Als weiteres Beispiel nannte er die kanadische Zeitungsgruppe Glacier Media Commercial, die in allen Ausgaben erfolgreich AR-Codes zur Verknüpfung von Print mit der digitalen Welt (Online-Videos als Ergänzung) einsetzt. Ähnlich agieren inzwischen Die Welt und Focus in Deutschland.

Interessante Option: Offset und Digitaldruck im Duett

Als weitere Früchte in mittlerer Höhe sieht Oliver Baar die mit der Nachrüstung von Inkjet-Eindrucksystemen (aktuell Kodak Prosper S30) in Offsetrotationen möglichen Coupons, Gewinnspiele oder Adresseneindrucke. KBA hat solche Inkjet-Retrofits bereits durchgeführt. Noch weiter geht der kombinierte Einsatz älterer Offset-Anlagen wie z. B. einer KBA Colora und einer Inkjet-Rolle wie der KBA Rotajet für stark lokalisierte Produktionsszenarien (Microzoning) in der Zeitung sowie formatflexible zusätzliche Printprodukte auf unterschiedlichsten Papieren für Leser und Werbekunden im Digitaldruck. Klassische Geschäftsmodelle der Zeitungsbranche lassen sich so erweitern, wobei bei kleinteiligen Auflagen die Prozesskosten deutlich sinken. Während im Offset heute für Zeitungen, Semicommercials, Bücher, Zeitschriften und Akzidenzprodukte meist Zeitungs-, Akzidenzrotationen und Bogenoffsetmaschinen zum Einsatz kommen, deckt die KBA Rotajet diese Marktsegmente bei Kleinauflagen weitgehend ab und ermöglicht so zusätzliches Geschäft.

Moderne Offsettechnik derzeit vor allem in Europa gefragt

Obwohl KBA mit der Rotajet sein Angebot um den digitalen Zeitungs-druck erweitert, werden nach Expertenmeinung leistungsstarke Offsetrotationen auch in den nächsten Jahren die Zeitungsproduktion dominieren. Wie Christoph Müller, Vorstand für das Produkthaus Rollendruckmaschinen, berichtete, konnte KBA nach der marktbedingten Straffung seines Produktprogramms vor zwei Jahren zuletzt vor allem Bestellungen für die zur Ifra Expo 2011 in Wien neu eingeführte, modular automatisierbare Commander CL verbuchen. Seitdem wurden in Euro-pa, den USA und China zehn Anlagen verkauft, wobei sich in 2013 Ouest-France in Rennes, Pressedruck in Potsdam und das Main-Echo in Aschaffenburg für die jüngste KBA-Zeitungsmaschine entschieden haben. In der High-End-Klasse ist nach wie vor die Kompaktanlage Commander CT mit Abstand die erfolgreichste Maschine am Weltmarkt. 27 Kundenanlagen mit zusammen 124 Drucktürmen und fast 1.000 Druckstellen stehen inzwischen auf der Referenzliste. Vor wenigen Wochen kamen das Badische Druckhaus in Baden-Baden und Mittelland Zeitungsdruck im schweizerischen Aarau als jüngste Kunden hinzu.

Die Schwestermaschine KBA Cortina, die vor 13 Jahren auf der Drupa für Furore gesorgt und neben dem wasserlosen Druck den automatisierten Plattenwechsel in die Zeitungsproduktion eingeführt hatte, erlebte in 2013 ebenfalls eine Renaissance. Die von der Volksfreund-Druckerei Nikolaus Koch in Trier (Saarbrücker Zeitungsgruppe) bestellte Cortina erhöht die Bestellzahl auf 20 und ist die erste Anlage, die nach den positiven Erfahrungen bei Freiburger Druck (Badische Zeitung) von Beginn an mit zwei Lackierwerken ausgestattet wird. Diese Art der Inline-Veredelung ist aktuell im Coldset-Druck nur im wasserlosen Offset mit der Cortina möglich. Sie erlaubt qualitativ herausragende Printprodukte, wie in Berlin anhand von Mustern zu sehen war.

Service und Retrofits gewinnen an Bedeutung

Christoph Müller betonte, dass die Zeitungen ihre anerkannte Rolle als starke Marke noch stärker für ergänzende Print-Aktivitäten nutzen sollten. Dazu gehören auch kreative Werbeformen in Print. KBA liefert dafür vielfältige, zum Teil nachrüstbare Sonderausstattungen und hat sein Dienstleistungsangebot entsprechend erweitert. An älteren Anlagen aus eigener oder fremder Produktion führen die erfahrenen Fachleute von KBA und der Tochter PrintHouseService GmbH (PHS) neben Wartungs- und Reparaturarbeiten zunehmend Retrofits durch. In diversen Zeitungs- und Akzidenzdruckereien haben KBA und PHS die Komplettbetreuung der technischen Anlagen mit Personal vor Ort übernommen.