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(03.09.2013 / saj)

Digitaldruck eine neue Chance für die Zeitung?

Die Einschätzungen bezüglich dieses jahrhundertealten Printmediums gehen weit auseinander und schwanken auch in der Fachwelt zwischen „No Future für Print“ und „Chancen suchen und investieren“.

Die Position von Koenig & Bauer (KBA) lautet: Drucken ist ein Kundenservice. Wer seine Leser ausschließlich via Online-Informationsangebot zum Selberdrucker degradiert, wird leicht austauschbar und vergibt wertvolle Kundenbindungsmöglichkeiten. Abgesehen davon hat ein reines Online-Angebot negative Auswirkungen auf die Reichweite. Jede gedruckte Zeitung wird von bis zu drei Lesern genutzt. Dies ist für Anzeigenkunden im Mediamix neben zielgruppenorientierter Werbung und größerer Nachhaltigkeit ein sehr wichtiges Argument. Nutzungsanalysen zeigen, dass die Printkommunikation ihren Wert nicht verliert, trotz zusätzlicher Medienangebote. Genauso klar ist aber auch, dass man den sich ändernden Kunden- und Leseransprüchen angemessen Rechnung tragen muss.   

 

Wachsendes Interesse 


KBA hat mit der gedruckten Zeitung 200 Jahre Erfahrung, viele Ideen für die Anforderungen von heute und morgen und geeignete Lösungen für die veränderte Medienwelt. Seit dem Erstauftritt der Rotajet zur letzten Drupa z.B. interessieren sich erfolgreiche und chancenorientierte Zeitungsverlage und -druckereien zunehmend für die Digitaldruckrotation und setzen sich - wie es heißt - oft begeistert mit den Möglichkeiten des kontaktlosen, platten- und einrichtefreien Druckens auseinander.  


Vier generelle Punkte sind für dieses hohe Interesse verantwortlich: Aufgrund der z.T. stark gesunkenen Auflagen auch bekanntester Titel steht die Zeitung unter nie dagewesenen Druck, zu reagieren. Mit der Rotajet steht erstmalig ein Produktionsmittel eines renommierten Offsetmaschinenbauers zur Verfügung, der die Anforderungen in der Zeitungsproduktion aus der täglichen Arbeit wie kaum ein anderer kennt. Konstruktion und Bauweise bieten nach Herstellerangaben keinen Anlass für Zweifel an der Anwendbarkeit unter industriellen Bedingungen. Die nach manchen teuren Online-Abenteuern wachsende Erkenntnis, dass schwierige Situationen eben auch Chancen für neue Wege bieten.  


In der Vergangenheit wurden Zeitungen meist als sogenannte „Auslandstitel“ (Island Editions) in wahrnehmungsfähigen Größenordnungen digital gedruckt. Dabei kristallisierten sich in der Regel wegen der im Vergleich zu Tonersystemen deutlich höheren Produktivität und der bei Kleinauflagen durch den Wegfall von Druckplatten und Einrichtekosten vergleichsweise günstigen Druckkosten Inkjet-Systeme als Produktionsmittel bei der Wahl heraus. Die führenden Anbieter dieser Systeme stammten bis vor Kurzem allerdings noch ausschließlich aus dem IT-Bereich (Schwerpunkt Rechnungsdruck). Entsprechend wurden diese Systeme konstruktiv ausgelegt und entsprechend waren die Anwendungs-Einschränkungen. Dies habe, so KBA, Zweifel hinsichtlich der professionellen Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit für die Zeitung generiert und potenzielle Interessenten vor einer Millioneninvestition zurückschrecken lassen.  

 

Ein Beispiel: Keines dieser Inkjet-Drucksysteme ist in der Lage, eine Bahnbreite von 800 mm (zeitungsübliches Rollenformat) zu verarbeiten. Dies führt dazu, dass Zeitungsdruckereien ggf. ihre Logistik kostenintensiv umstellen oder überflüssige Format- (z. B. Nordisch stehend) und Produktivitätseinschränkungen (Tabloid stehend vs. liegend) hinnehmen müssen. An Zeitungsoffsetrotationen selbstverständliche Ausstattungsmerkmale wie automatischer Bahneinzug oder automatischer Rollenwechsel ohne Stillstand sind für diese aus dem IT-Bereich abgeleitete Systeme ebenfalls nicht verfügbar, aber Standard oder Option bei der Rotajet. 


Neue Möglichkeiten für die Leserbindung


Bei der  begrenzten Bahngeschwindigkeit einer Rotajet kommt man zunächst nicht unbedingt auf die Idee, diese für die Zeitungs-Liveproduktion einzusetzen. Basierend auf heute existierenden Auflagen von z. T. 500 bis 3000 für einen Teil der zu druckenden Zeitungstitel (oder Lokalsektionen) zeigen aber realistische Produktionsanalysen, dass durch deren Verlagerung auf die Rotajet zuweilen eine massive Schichtzeitverkürzung der Zeitungsrotation möglich ist. Dies hat mehrere Effekte:


Teure Rotationsdruckzeit kann ggf. eingespart oder anderweitig verwendet werden. Dies kann zu Kosteneinsparung führen, denn ein voll automatisierbares Rotajet-System wird lediglich von einem Operator bedient, druckt wechselnde Auflagen nahtlos, ohne Platten- und Vorstufenkosten, ohne Einrichtezeit und ohne Makulatur. Retrofits älterer Offsetrotationen können ggf. mit einer Digitaldruck-Investition kombiniert werden. Der Zeitungsverlag kann so dem Medienwandel mit stärker zielgruppenorientierten Printprodukten bis hin zur persönlichen Leseransprache flexibler begegnen. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten für die Leser-Blattbindung und die Direktwerbung.  

 

Aus gemeinsamen Überlegungen mit Zeitungskunden verfolgt KBA bereits mehrere Projekte, bei denen die Vorteile hoch automatisierter neuer Offsetrotationen oder Retrofits älterer Maschinen mit den Stärken einer digitalen Rotajet kombiniert werden. Dazu gehören bei Investitionsentscheidungen natürlich in jedem Fall fundierte Wirtschaftlichkeitsrechnungen auf Basis der aktuellen oder zukünftig geplanten Auftragsstruktur des jeweiligen Anwenders. Da das Unternehmen beides anbietet ? Offset und Digital ? kann man von einer größeren Objektivität ausgehen als bei solchen Anbietern, die nur Offset oder nur Digital im Programm haben.  


Mehr Service 


Hat man den Digitaldruck erst mal im Haus, ergeben sich fast automatisch neue verlegerische und unternehmerische Perspektiven: Rotajet-Systeme eignen sich auch für akzidenzorientierte Aufgabenstellungen außerhalb der Zeitungsproduktion, was wiederum dem Verlag die Möglichkeit eröffnet, regionalen oder lokalen Anzeigenkunden ? zu denen i. d. R. allerbeste Kontakte bestehen ? zusätzliche ideenreiche Print-Produkte anzubieten, das Geschäftsvolumen auszuweiten und die Position als führende regionale Medienmarke auszubauen. 


Überlegenswert sind z. B. stadtteilbezogene Anzeigen - derselbe Anzeigenplatz kann mehrfach verkauft werden und wird damit für kleinere Unternehmen billiger und attraktiver; selektive, maßgeschneiderte Beilagen oder Zusatz-Druckprodukte wie Kundenmagazine, Redaktion, Druck und Verteilung - alles „convenient inclusive“.  


Die gedruckte Zeitung hat weiterhin herausragende Stärken und Vorteile wie Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Nachhaltigkeit in der modernen Medienwelt. Das wissen auch die großen Agenturen und Werbetreibenden. Passivität, Frust und Resignation sind angesichts der mit wirtschaftlichen Fakten kaum erklärbaren Online-Euphorie in Teilen der Zeitungswelt keine unternehmerische Option. Es lohne sich aber, über neue Ideen nachzudenken und neue Chancen zu erkennen: KBA will über mögliche Modelle zur Zeitungsmesse World Publishing Expo vom 7. bis 9. Oktober in Berlin informieren.