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(16.08.2013 / saj)

Frischer Wind im Allgäu

Mit innovativer Vorstufen- und Drucktechnik in der Zeitungsproduktion mehr erreichen: Allgäuer Zeitungsverlag setzt in neuer Rollenrotations-Ära auf CTP- und Druckplattentechnik von Kodak.

Eine Druckmaschine, die eine neue Rollenrotationsbaureihe begründet, ist nicht  alltäglich. Von der Zeitungsbranche mit Aufmerksamkeit verfolgt, hat der Allgäuer Zeitungsverlag (AZV) in Kempten die erste Colorman e:line von Manroland Web Systems in Betrieb genommen. Die 18 Mio. Euro schwere Investition in die Zeitungszukunft ersetzte zwei Rollen aus dem Jahr 1998 und druckt wie diese im Gummi-Gummi-Prinzip, das beo AZV seit langem favorisiert wird. Die neue, für die Produktion im Rheinischen Format ausgelegte Coldset-Rollenrotation hat vier 16-Seiten-Drucktürme, von denen einer als Reserve betrachtet wird. Sie ist bis zu 45.000 Zylinderumdrehungen pro Stunde schnell und weist Ausstattungsmerkmale auf, die sonst nur bei Akzidenz-Rollenoffsetmaschinen zu finden sind.

 

Qualitäts- und Produktivitätssteigerung im Druck sowie mehr Produktionsflexibilität und Rüstzeitverkürzung durch größtmögliche Automatisierung waren die Ziele des Umstiegs. So verfügt die Maschine u.a. über Roboter für vollautomatischen  Druckplattenwechsel und eine auf Anregung des AZV-Projektteams konstruierte Plattenliftanlage. Letztere macht für das Maschinenpersonal Treppensteigen zu den oberen Druckwerken, nur um neue Platten in Wechselkassetten zu stecken,  überflüssig. „Durch diese Systeme und weitere Automatisierungseinrichtungen brauchen wir heute pro Plattenwechsel nur noch drei Minuten, während dafür früher mindestens 15 zu veranschlagen waren“, sagt der technische Leiter Wilfried Sutter

 

Aus Erfahrung Kodak


Um die angestrebte Qualitätsverbesserung und Rationalisierung im vorgelagerten Bereich zu unterstützen, wurde in der Druckformherstellung ebenfalls ein Generationswechsel vollzogen. Das zeitgemäße Vorstufenpendant zur modernen Offsetdrucktechnik bilden zwei vollautomatische Kodak-Plattenbelichter des Typs Generation News in der Z-Geschwindigkeitsversion. Sie haben drei Newsetter-Thermoplattenbelichter des gleichen Herstellers ersetzt, die bereits zwölf Jahre alt waren. Jedes der beiden neuen Zeitungs-CTP-Systeme ist in der Lage, stündlich bis zu 300 Druckplatten zu bebildern, wobei das in Kempten benötigte Format der Einzelplatten 344 x 534,8 mm misst. Jeder Plattenbelichter hat vier interne Kassetten, die einen Vorrat von zusammen 1600 Einzelplatten der Stärke 0,3 mm mit Zwischenpapier aufnehmen können. 

 

Zwischen 500 und (in saisonalen Spitzenzeiten) 2000 druckfertige Platten muss die Druckformherstellung täglich für die Rollenrotation bereitstellen. Doch, so Sutter: „Für uns ist nicht der Tagesbedarf ausschlaggebend. Wir benötigen sehr viel Ausgabeleistung in kurzer Zeit, da wir eine Art Just-in-Time-Plattenproduktion praktizieren. Unser Platten-Workflow von ABB berechnet ausgehend von den geplanten Andruckzeiten und unter Berücksichtigung zeitlicher Puffer, wann wir mit der Plattenherstellung beginnen müssen. Dann brauchen wir die volle CTP-Leistung, zumal wir für den Druck aus vertriebstechnischen Gründen ein sehr enges Zeitfenster haben. Andruck ist um 22 Uhr und um 2 Uhr muss alles fertig sein.“

 

Qualität, Stabilität und Wiederholbarkeit


Für die Wahl der Plattenbelichter waren verschiedene Faktoren entscheidend: Zum einen die Stabilität und Wiederholbarkeit der thermischen Druckplattenbebilderung, was durch die hochauflösende Squarespot-Bebilderungstechnik auf die Spitze getrieben wird. „Wir erhalten konstante Ausgaberesultate mit praktisch keinerlei Schwankungen. Das ist ein großer Vorteil, da wir nicht ständig Aufwand für das Ausmessen von Platten und die Kontrolle von Prozessen betreiben müssen“, erklärt Stephan Scherm, der als stellvertretender Leiter Vorstufe und IT für die Druckformherstellung verantwortlich ist.

 

Ein weiterer Entscheidungsgrund waren die solide Konstruktion und mechanische Ausführung der Außentrommel-CTP-Systeme. Die Betriebstechniker hatten den  Plattenbelichtern in dieser Hinsicht auf den Zahn gefühlt und „grünes Licht“ signalisiert. Schließlich war das Leistungsprofil – und nicht zuletzt die Auflagenbeständigkeit – der verwendeten Druckplatte ein wichtiger Gesichtspunkt. 

 

Für Zeitungen und mehr


Auf der neuen Rolle druckt der Verlag mit der Thermalnews-PT-Platte (vorher Thermalnews Gold). Das negativ arbeitende Material kommt ohne Preheat und Vorspülen aus, sodass der früher damit einhergehende Bedarf an elektrischer Energie und Wasser entfällt. Ein weiteres Merkmal ist der vergleichsweise geringer Chemieverbrauch, der noch dadurch unterstützt wird, dass keine Antioxidationsregenerierung nötig ist. 

 

An jeden Belichter schleßt sich eine Plattenverarbeitungsanlage T-HDX 850 an, die - wie bereits angedeutet - weder Preheat- noch Vorspülsektion hat und entsprechend platzsparend gebaut ist. Nach der Verarbeitung durchlaufen die Druckplatten einen Stanz- und Abkantautomaten, um schließlich in einer Sortieranlage abgelegt zu werden. Diese soll sich nach weiteren Umbaumaßnahmen direkt im Rollenrotationsleitstand befinden. Von dort müssen die Druckformen dann nur noch auf sehr kurzen Wegen zu den Liftkassetten für die Plattenwechselroboter gebracht werden. Insgesamt ist die neue CTP- und Plattenherstellungstechnik derart weit automatisiert, dass sich der Aufwand für den Bediener der gesamten Anlage während der aktuellen Zeitungsproduktion hauptsächlich auf Überwachungstätigkeiten beschränkt.

 

Was die Auflagenbeständigkeit angeht, ist die Platte bei der Herstellung von Werbeprospekten gefordert. So druckt das Unternehmen z.B. mit einem Satz regelmäßig Werbebeilagen für eine regionale Lebensmittelhandelskette. Die 260.000er- Auflage bewältigt die Thermalnews PT, wie es heißt, ohne Weiteres. Demgegenüber nehmen sich die Zeitungsauflagen etwas bescheidener aus. Die acht verschiedenen Ausgaben der "Allgäuer Zeitung" (Gesamtauflage ca. 110.000) erscheinen in Auflagen zwischen 4000 und 23.000 Expl. Dazu kommen das in mehreren Ausgaben produzierte Anzeigen-Wochenblatt "extra" (insgesamt 223.000 Expl.) sowie die deutschsprachige Wochenausgabe der Vatikanzeitung "L’Osservatore Romano". Der Druck von verlagseigenen Sonderbeilagen sowie von Werbeprospekten und sonstigen Fremdaufträgen rundet das Fertigungsprogramm ab. 

 

In diesem Zusammenhang soll das qualitative Potenzial der neuen CTP- und Coldset-Drucktechnik künftig auch zur Gewinnung anspruchsvollerer Druckaufträge ausgeschöpft werden. „Wir haben Drucktests auf aufgebesserten Zeitungspapieren mit höherem Weißgrad durchgeführt und sind dabei ausgehend von unserem normalen 48er-Zeitungsraster bis zum 70er-Raster gegangen“, berichtet Sutter. „Natürlich müssen wir wegen der veränderten Tonwertzunahme neue CTP-Kalibrierungskurven hinterlegen, aber die Tests sind alle sehr positiv verlaufen. Das heißt: Wir werden akzidenzähnliche Produkte mit feineren Rastern drucken.“

 

Und in noch einer Hinsicht profitiert der Allgäuer Zeitungsverlag vom qualitativen Leistungsvermögen der neuen CTP-Technologie: Die Druckplatten werden nicht Seite für Seite als CMYK-Plattensätze, sondern bereits sortiert in der Reihenfolge der Zylinderbelegung für den automatischen Plattenwechsel ausgegeben, d.h. also zuerst alle 16 Cyanplatten für einen Druckturm und dann die übrigen Farben. Dank der mechanischen und bebilderungstechnischen Präzision der Plattenbelichter sei dabei die Passgenauigkeit der zusammengehörenden Platten einer Seite sichergestellt, heißt es abschließend von Herstellerseite.