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(12.04.2013 / atz)

Hohe Flexibilität sichert Bellmers Geschäftserfolg

Der Fachverband Druck- und Papiertechnik im Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) setzt seine Interviewreihe mit Exponenten der deutschen Papier- und Druckmaschinenindustrie fort. Die Serie steht unter dem Titel "Blick nach vorn - Die Zukunft von Druck und Papier".

Neue Medien, neue Technologien und eine Verschiebung der Märkte haben die deutsche Druck- und Papiertechnik verändert. Die Unternehmen dieser Branche stellen sich den Herausforderungen und erkennen immer mehr auch die Chancen dieser Veränderung. Der VDMA stellt in seiner Interview-Serie einige Unternehmen vor. Pro Monat wird ein Interview mit einem Vertreter der Branche veröffentlicht - aktuell mit Erich Kollmar (Foto), der gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Martin und Philipp die Gebr. Bellmer GmbH Maschinenfabrik leitet. Das Unternehmen mit Stammsitz in Niefern-Öschelbronn nahe Pforzheim ist seit über 150 Jahren mit Maschinen und Anlagen zur Papierherstellung befasst.

Herr Kollmar, Sie leiten mit ihren Brüdern gleichberechtigt ein mittelständisches Unternehmen, das Ihrer Familie gehört. Funktioniert das reibungslos?

Kollmar: Wenn man unser Führungs-Modell heute in einem modernen Management-Seminar vortrüge, würde es sicher heißen, die erzählen Märchen. So etwas kann theoretisch gar nicht gehen. Praktisch funktioniert es aber sehr gut. Wir haben unterschiedliche Interessenschwerpunkte und Fähigkeiten, die sich hervorragend ergänzen. Und in der Strategie sind wir uns einig: Investiere in Mitarbeiter, bleibe neugierig und nutze Chancen, die sich bieten, schnell. Wir sind die sechste Generation, die das Familienunternehmen jetzt führt.

Spüren Sie den Einbruch bei den graphischen Papieren?

Kollmar: Zum Glück sind wir davon nicht so stark betroffen. Wir haben in dieser Entwicklung eher Chancen genutzt, zum Beispiel, haben wir zwei Unternehmen übernommen, die in Auftragsnot geraten waren. Diese ehemaligen Wettbewerber ergänzen unser Geschäft sehr gut. Vor ein paar Jahren hätten wir uns diese Investitionen nicht leisten können.

Dann sind Sie eine Art Krisengewinnler?

Kollmar: Das kann man nicht sagen. Indirekt leiden wir auch unter der Krise und zwar unter der fast schon bösartigen Preisaggressivität am Markt. Die Kunden gewöhnen sich langsam an die Kampfpreise. Da müssen wir gegensteuern. Ein Grund, warum wir besser dastehen, als die Großen, die im Unterschied zu uns alle Personal abbauen, liegt darin, dass wir uns mehr auf die Modernisierung von Papiermaschinen konzentrieren, weniger auf den Verkauf kompletter Neuanlagen zur Papierherstellung. Große Papiermaschinen sind sehr teuer und langlebig. Gerade in einer Krise kaufen die Papierhersteller lieber einzelne Aggregate neu, als ganze Anlagen. Im Grunde verändert sich eine Papiermaschine ständig. Sie wird um immer weitere neue Technologien ergänzt. Wenn sie nach Jahrzehnten außer Betrieb geht, ist kaum noch ein Teil an ihr aus dem ursprünglichen Lieferumfang zu finden.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe für den Rückgang der graphischen Papiere? Können große Schwellenländer wie China nicht die Einbrüche in den Industrienationen wettmachen?

Kollmar: Bei dieser Argumentation wird oft übersehen, dass sich das wirtschaftliche Wachstum auch in China verlangsamt. Wir beobachten, dass bei den Papiermaschinen inzwischen etwas Sättigung einsetzt. Bis vor etwa zwei Jahren gingen jedes Jahr zwei bis drei große Papiermaschinen in den chinesischen Markt. Das ist heute weniger. Im Laufe der Zeit sind dort Überkapazitäten aufgebaut worden. Wenn man dann noch bedenkt, dass auch die Chinesen inzwischen mehr auf digitalen Medien wie Tablets lesen, ist es nicht verwunderlich, wenn die Nachfrage nach diesen Papiermaschinen dort zurückgeht. Dennoch bin ich der Meinung, man sollte nicht zu schwarzsehen. Sowohl in unserer westlichen Welt als auch anderswo wird es noch lange Zeit gedruckte Bücher und Zeitschriften geben und damit auch eine Nachfrage nach graphischen Papieren.

Dennoch: Auch Bellmer geht in andere Industriebereiche.

Kollmar: Das ist richtig. Wir sehen beispielsweise großes Potenzial im Bereich Verpackung. Das Verpackungsvolumen nimmt auf der ganzen Welt kontinuierlich zu. Sei es in den etablierten Volkswirtschaften, ausgelöst vor allem durch den Online-Versandhandel. Sei es durch das Wachstum des globalen Warenverkehrs oder durch das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern. Hinzu kommt, dass Verpackung zunehmend als Instrument der Verkaufsförderung eingesetzt wird. Während bis vor ein paar Jahren die meisten Produkte in den Supermärkten in Regalen lagen, steht heute ein Großteil in separaten Verkaufsinseln der jeweiligen Markenhersteller. Das sind oft große Pappkisten, die aufgeklappt werden und dann eine Art Laden im Laden bilden. Das alles ist Verpackung – und die ist dann auch noch recyclingfähig. In diesem Bereich tut sich einiges.

Neben dem Geschäftsbereich Papier-Technologie hat Bellmer schon viele Jahre den Bereich Separation Technology. Welche Rolle spielt der in der Geschäftsstrategie?

Kollmar: Vom technologischen Hintergrund her sind bei der Trennung von Flüssigkeiten und Feststoffen durchaus Gemeinsamkeiten mit Papier zu erkennen. Insofern ist das kein völlig fremdes Geschäft. Uns dient dieser kleinere Geschäftsbereich in erster Linie zur Fertigungsabsicherung. In der Papierindustrie sind die Projektzyklen sehr lang, zwischen zwölf und 18 Monaten. Es gibt oft Pausen. Damit wir unsere Fertigungsauslastung auch in diesen Zeiten hoch halten können, nutzen wir das Trenntechnik-Geschäft als Puffer. In diesem Geschäftsbereich liegen die Projektzeiten zwischen drei und sechs Monaten. Die kontinuierliche Auslastung bringt uns ein hohes Maß an Flexibilität.  

Auf einen Blick

Die Anfänge der Bellmer Maschinenfabrik liegen im Jahr 1842. Damals kaufte der Firmengründer Carl Bellmer eine Papiermühle in Niefern am Rand des Schwarzwalds. Heute gibt es die beiden Unternehmensbereiche Paper Technology (Anlagen und Modernisierungen für die Papier- und Zellstoffindustrie) und Separation Technology (Anlagen zur Trennung von Flüssig- und Feststoffen innerhalb der Umwelt- und Lebensmitteltechnik). Gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen beschäftigt Bellmer weltweit rund 480 Mitarbeiter. Der Umsatz lag zuletzt stabil bei 80 Millionen Euro.