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(16.02.2013 / atz)

Tablet und Smartphone rücken dem Papier zu Leibe

Der Fachverband Druck- und Papiertechnik im Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) setzt seine Interviewreihe mit Exponenten der deutschen Papier- und Druckmaschinenindustrie fort. Die Serie steht unter dem Titel "Blick nach vorn - Die Zukunft von Druck und Papier".

Neue Medien, neue Technologien und eine Verschiebung der Märkte haben die deutsche Druck- und Papiertechnik verändert. Die Unternehmen dieser Branche stellen sich den Herausforderungen und erkennen immer mehr auch die Chancen dieser Veränderung. Der VDMA stellt in seiner Interview-Serie einige Unternehmen vor. Pro Monat wird ein Interview mit einem Vertreter der Branche veröffentlicht - aktuell mit Dr. Hans-Peter Sollinger, dem  Vorsitzenden der Geschäftsführung von Voith Paper, einem der weltweit führenden Technologielieferanten für die Papierindustrie.

Dr. Sollinger, Voith Paper hat im abgelaufenen Geschäftsjahr einen drastischen Gewinneinbruch verzeichnet und ein Restrukturierungsprogramm eingeleitet. Werden Sie  2013 wieder auf Wachstumskurs kommen?

Dr. Sollinger: Der Hauptgrund für den Rückgang unseres operativen Gewinns war der Nachfrageeinbruch in unserem Segment der graphischen Papiermaschinen. Auf einen  Wachstumsrückgang bei den graphischen Papieren hatten wir uns bereits seit langem vorbereitet. Die Auswirkungen dieses Wandels übertrafen allerdings in ihrer Geschwindigkeit und ihrem Ausmaß alle Erwartungen. Innerhalb eines Jahres ist die Nachfrage nach neuen graphischen Maschinen um 90 Prozent eingebrochen. Das liegt vor allem am Siegeszug der Tablets und Smartphones. Diese Geräte haben eine Wirkung entfaltet, die überhaupt nicht mit der des PC vergleichbar ist. Die Papierindustrie hat auf diesen Trend reagiert und Investitionen in neue graphische Maschinen gingen stark zurück. Der Rückgang bei den graphischen Papiermaschinen ist dauerhaft, darauf müssen wir uns einstellen. 2013 wird für uns aber nicht nur deshalb ein herausforderndes Jahr. Hinzu kommt die unsichere Entwicklung der Konjunktur, was zu einer erheblichen Investitionszurückhaltung bei unseren Kunden führt.

Wo sehen Sie angesichts des Rückgangs bei den graphischen Papieren die Zukunft? Dieses Segment bildet doch den Kern von Voith Paper.

Dr. Sollinger: Maschinen für graphische Papiere, also für alle Schreib- und Druckpapiere einschließlich den Zeitungsdruckpapieren, hatten bei uns einen Umsatzanteil von etwa einem Viertel. Wir haben den Rückgang bei den graphischen Papiermaschinen vorausgesehen, auch wenn die Dynamik zuletzt überraschend war. Deshalb haben wir unsere Innovationen in den nicht-graphischen Bereichen vorangetrieben und unser Anlagengeschäft in den letzten Jahren in den Segmenten Verpackungs-, Hygiene- und Spezialpapiere, wie beispielsweise Geldscheine, ausgebaut. Diese drei Felder bieten erhebliche Möglichkeiten. Hinzu kommt die steigende Bedeutung unseres Aftermarket Geschäftes, das mittlerweile rund fünfzig Prozent unseres Umsatzes ausmacht.

Welches dieser drei Felder hat das größte Wachstumspotenzial?

Dr. Sollinger: Das sehen wir neben den Hygienepapieren vor allem bei Verpackungspapieren. Einer der Gründe ist der zunehmende Online-Versandhandel. Alle die bestellten Waren müssen schließlich verpackt werden. Ein anderer Grund ist ein ökologisches Umdenken, nicht nur in den westlichen Industrieländern. In Indien gibt es beispielsweise in Neu-Delhi inzwischen ein Verbot von Plastikeinkaufstüten. Ganz generell wird das wirtschaftliche Wachstum der Schwellenländer das Volumen der Verpackungspapiere erhöhen.

Welchen Stellenwert haben die Schwellenländer für Voith Paper?

Dr. Sollinger: Die Bedeutung dieser Märkte ist sehr groß. Ohne die Kompensation aus Asien und Südamerika hätte uns der Rückgang bei den graphischen Papiermaschinen sicher noch härter getroffen. Wir investieren auch kräftig in diesen Märkten. Trotzdem bleiben wir mit unserer breiten Aufstellung in allen Regionen dieser Welt verankert. Auch die reifen Märkte Europa und Nordamerika bleiben gerade im Servicegeschäft sehr wichtig für Voith Paper.

Sie sind auch in China vertreten. Die Chinesen holen gerade im Maschinenbau kräftig auf.  Betrachten Sie China eher als Chance oder als Gefahr?

Dr. Sollinger: Ganz klar als Chance. Voith Paper hat viel in China investiert, da wir dort einen großen Markt sehen. Es ist jedoch ganz selbstverständlich, dass in einem wachsenden Markt auch Konkurrenz entsteht. Dagegen werden wir uns behaupten, wie in anderen Märkten auch. Wir tun das, indem wir technologisch führende Lösungen entwickeln. Bislang hat das gut geklappt. Schwieriger würde es, wenn uns die lokalen Lieferanten technologisch überrunden würden. Das ist grundsätzlich nicht auszuschließen, zumal sich die chinesische Regierung gerade dieses Ziel in ihrem aktuellen Fünf-Jahres-Plan gesetzt hat. Unser Vorteil ist dem gegenüber ganz sicher, dass wir auf eine breite und tiefe Erfahrung und Kompetenz in allen Bereichen der Papiertechnologie bauen können.

Werden Ihre Anlagen in China kopiert?

Dr. Sollinger: Produktpiraterie ist für uns kein großes Problem. Das liegt vor allem an der Größe unserer Anlagen und an ihrem Preis. In gewisser Weise schützen uns die hohen Investitionskosten. Der Kunde geht ein enormes Risiko ein, wenn er eine gefälschte Anlage kauft, auf der er nicht in der gewünschten Qualität produzieren kann.

Die Papierherstellung ist energieintensiv. Andere Branchen mit hohem Energiebedarf beklagen sich schon über die hohen Strompreise. Braucht die Papierindustrie eine Entlastung?

Dr. Sollinger: Die Papierherstellung ist energieintensiv, das ist richtig. Aber man kann viel tun, um die Produktion effizienter zu machen. Wir bei Voith Paper haben es zum Beispiel mit unserer Atmos-Technologie geschafft, den Energieverbrauch bei der Herstellung von Hygienepapieren der Premium-Qualität um fünfzig Prozent zu senken. Die Papierindustrie geht das Problem offensiv an. Der europäische Verband der Papierindustrie, Cepi, hat mit seiner Roadmap den ersten Schritt getan, um das von der EU gesteckte Ziel, nämlich bis 2050 80 Prozent der CO2-Emissionen einzusparen, zu erreichen.


Um diese Roadmap zu realisieren braucht es für die anstehenden Investitionen eine finanzstarke Papierindustrie. Daher ist es wichtig, dass diese Industrie in der Zwischenzeit nicht mit weiter steigenden Energiekosten belastet wird. Die CEPI Roadmap 2050 ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern wird auch eine Modernisierung der europäischen Papierindustrie fördern. Als Zulieferer können wir natürlich durch die Um- und Nachrüstung von Papiermaschinen auf einen effizienteren Standard unterstützen.

Voith Paper ist Teil des Familienkonzerns Voith. Das Unternehmen hat seinen Stammsitz in Heidenheim in Süddeutschland und ist in rund 50 Ländern in allen Regionen der Welt vertreten. Im Geschäftsjahr 2011/2012 erzielte Voith Paper mit 9.819 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro an. Die Gründung von Voith Paper geht in das 19. Jahrhundert zurück. 1881 wurde die erste komplette Voith Papiermaschine gebaut.