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(27.06.2023 / sbr)

Worauf Unternehmen bei erhaltenem Kurzarbeitergeld und Corona-Hilfen achten müssen

Lange Zeit war es so, dass der 30. Juni 2023 für Unternehmen sowohl bei der Prüfung und möglichen Rückzahlung der Corona-Überbrückungshilfen als auch beim Thema Kurzarbeitergeld eine große Rolle spielte. Nun wurde (am 22.6.) die Frist für die Einreichung der sogenannten Schlussabrechnung bei den Corona-Überbrückungshilfen kurzfristig auf den 31. August 2023 verschoben. Begründet wird die Verschiebung mit einem hohen Antragsaufkommen.

Für viele Unternehmen steht beim Thema Kurzarbeitergeld die härteste Prüfung noch bevor

Doch zunächst zurück zum 30. Juni und dem ebenso wichtigen Thema Kurzarbeitergeld: Trotz der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung werden die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld zum 30. Juni 2023 auslaufen. Joachim Zobel (Foto) und Alexander von Saenger von der bundesweit tätigen Kanzlei Schultze & Braun erläutern, warum nach den Erleichterungen für viele Unternehmen beim Thema Kurzarbeitergeld die härteste Prüfung noch bevorsteht.

Gerade seit Beginn der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen von den Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld profitiert und manches Unternehmen wäre ohne die Möglichkeit der Kurzarbeit sicherlich nicht mehr am Markt. „Jetzt stehen allerdings die Überprüfungen des beantragten und vorläufig bewilligten Kurzarbeitergeldes an, und darauf sollten sich Unternehmen administrativ und finanziell vorbereiten“, sagt Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun.

Enormer administrativen Aufwand und Vorlage zahlreicher Unterlagen

Angesichts der Multi-Dauerkrise kommen die grundsätzlich notwendigen Überprüfungen des Kurzarbeitergeldes für die betroffenen Unternehmen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. „Die Prüfungen sind mit einem enormen administrativen Aufwand und der Vorlage zahlreicher Unterlagen verbunden“, sagt Alexander von Saenger, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. Um für eine Prüfung durch die Agentur für Arbeit vorbereitet zu sein, sollten Unternehmen daher besonderes Augenmerk auf die nachfolgenden fünf Punkte legen und dafür sorgen, dass die entsprechenden Nachweise und Unterlagen vorliegen:

  • Neu- und/oder Ersatzeinstellungen: Dokumentation und Nachweis der Notwendigkeit von Neu- und/oder Ersatzeinstellungen von Mitarbeitenden im Kurzarbeitergeldzeitraum.
  • Besondere Abwesenheitszeiten: Dokumentation von besonderen Abwesenheitszeiten der Mitarbeitenden – beispielsweise bei Erkrankung, Covid-19-Quarantäne, Mutterschutz, Elternzeit, Urlaub oder Freistellung und von Änderungen dieser Abwesenheitszeiten im Laufe des Kurzarbeitergeldzeitraums.
  • Geplante Arbeits- und Abwesenheitszeiten und Arbeitszeitmodell: Dokumentation und transparente Nachweise zu den konkreten Planungen der Arbeits- und Abwesenheitszeiten („Soll-Arbeitszeit“) und des angewendeten Arbeitszeitmodells.
  • Tatsächliche Arbeits- und Kurzarbeitszeiten: Dokumentation und transparente Nachweise zu tatsächlichen Arbeits- und Kurzarbeitszeiten („Ist-Arbeitszeit“).
  • Vermeidung der Kurzarbeit: Darstellung des Prüf- und Umsetzungsprozesseses zur Vermeidung der Kurzarbeit, insbesondere vorherige Urlaubsgewährung, Nutzung von Arbeitszeitkonten und betriebsinternen zumutbaren „Ausweichtätigkeiten“.

Das Kurzarbeits-Damoklesschwert: Ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko und eine Herausforderung für Unternehmen jeder Größe

Die mögliche Rückforderung von Kurzarbeitergeld birgt für die betroffenen Unternehmen ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko“, sagt von Saenger. „Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen zumindest einen Teil des erhaltenen Kurzarbeitergeldes zurückzahlen muss, ist sehr hoch.“ Ein Grund dafür ist, dass das Kurzarbeitergeld während der Corona-Pandemie zumeist ohne die üblicherweise im Vorfeld stattfindenden Beratungen der Agentur für Arbeit vorläufig bewilligt wurde. „Die Unternehmen haben die erhaltenen Gelder unmittelbar an die Arbeitnehmer in Kurzarbeit ausgezahlt, wodurch ihnen dieses Geld natürlich nicht mehr für eine Rückzahlung zur Verfügung stehen kann“, sagt Zobel. „Über so manchem Unternehmen hängt damit ein mitunter Millionen Euro schweres Kurzarbeits-Damoklesschwert.“

„Unsere Erfahrung aus der Praxis zeigt: Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen haben die Prüfungsintensität und das damit verbundene finanzielle Risiko oftmals nicht voraussehen können“, sagt von Saenger, der zusammen mit Zobel bereits mehrere Unternehmen bei der Prüfung von Kurzarbeitergeld beraten und unterstützt hat. „Aber auch Großunternehmen mit eigener Rechtsabteilung haben oftmals nicht die Ressourcen und die Dokumentationstiefe, die erwartet wird, um vor der Durchführung von Kurzarbeits-Prüfungen die notwendigen Vorbereitungen zu organisieren.“

Kurzarbeitergeld in Milliardenhöhe – Prüfungen nicht auf die leichte Schulter nehmen

In Deutschland waren in der Spitze im April 2020 fast sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit hat in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 45,5 Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld ausgezahlt. „Diese Summe allein zeigt, welche finanzielle Herausforderung in der Prüfung des Kurzarbeitergeldes steckt“, sagt Zobel. Hinzu kommt: Zum Großteil haben die Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden in der Pandemie in Kurzarbeit geschickt haben, immer noch mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen – von den Verwerfungen der weiteren Krisen wie etwa der Energiekrise und der inflationsbedingten Konsumzurückhaltung vieler Verbraucher ganz zu schweigen. Das Thema Kurzarbeit dürfte der deutschen Wirtschaft also noch eine ganze Weile erhalten bleiben – und Unternehmen tun gut daran, die Prüfung und mögliche Rückzahlung von erhalten Geldern nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Die doppelte finanzielle Prüfung: Kurzarbeitsgelder und Corona-Überbrückungshilfen

Während der ersten beiden Jahre der Corona-Pandemie – Stichwort Lockdowns – waren Unternehmen aus zahlreichen Branchen dazu gezwungen, ihre Mitarbeitenden in Kurzarbeit zu schicken – etwa Friseure, Restaurants, Hotels, Konzertveranstalter oder Einzelhändler. Parallel dazu haben viele Unternehmen ab Juni 2020 sogenannte Corona-Überbrückungshilfen beantragt und erhalten. Fast drei Jahre nach dem Start der Überbrückungshilfe I steht nun jedoch bei vielen krisengebeutelten Unternehmen die Überprüfung und die mögliche Rückzahlung von gewährten Hilfen an. Alle Unternehmen, die Überbrückungshilfe erhalten haben, sind dazu verpflichtet, selbst aktiv zu werden.

NEU – Bis zum 31. August 2023: Schlussabrechnung einreichen oder Fristverlängerung beantragen

Bis zum 31. August 2023 (statt wie bislang 30. Juni 2023, die Fristverschiebung wurde am 22. Juni kurzfristig bekannt gegeben und mit dem hohen Antragsaufkommen begründet) müssen sie eine Schlussabrechnung einreichen oder eine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2023 beantragen. Wichtig ist: Die Schlussabrechnung muss zwingend von einem prüfenden Dritten abgegeben werden, also einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Die prüfenden Dritten sind es auch, die die Fristverlängerung bis Ende 2023 beantragen können, die automatisiert genehmigt werden soll. Unabhängig von einer möglichen Fristverlängerung gilt jedoch: Den Stichtag 31. August oder 31. Dezember zu reißen und die Schlussabrechnung verspätet abzugeben, ist nicht ratsam. Und auch ein Aussitzen führt im Fall der Schlussabrechnung nicht dazu, dass die Rückzahlung nach dem Motto „Wo keine Schlussabrechnung, da keine Rückforderung“ entfällt. Die Hilfen sind in den beiden genannten Fällen vielmehr in voller Höhe zurückzuzahlen.

Rückzahlungen vermeiden oder die Höhe der Rückzahlung reduzieren

„Über die Angaben in der Schlussabrechnung können die Unternehmen eine Rückzahlungspflicht entweder ganz vermeiden oder zumindest die Höhe der Rückzahlung reduzieren, wenn sie Hilfen erhalten haben, aber nicht bezugsberechtigt waren“, sagt Rechtsanwältin Dr. Elske Fehl-Weileder von Schultze & Braun, die bereits in mehreren Fällen mit der Prüfung von erhaltenen Corona-Überbrückungshilfen befasst war. „Umso dringlicher ist es für Geschäftsleiter, sich mit der Schlussabrechnung so bald wie möglich zu befassen – gerade auch wegen des großen operativen und administrativen Aufwands für die Einreichung der Schlussabrechnung.“ Die Schlussabrechnung dient dazu, die ursprünglich im Antrag für die finanziellen Hilfen gemachten Angaben zu überprüfen. Da die Zeit für die Beantragung mitunter knapp gewesen ist und es schnell gehen musste, basieren diese Angaben in den meisten Fällen auf Schätzungen. Anhand der Differenz zwischen den Zahlen in der Schlussabrechnung und den Angaben im Antrag bemisst sich die Höhe einer etwaigen Rückzahlung. Es ist also wichtig, genau zu prüfen, wie die Zahlen für die Schlussabrechnung aussehen. Hinzu kommt, dass sich die Förderbedingungen der Überbrückungshilfen kontinuierlich geändert haben, was bei der Schlussabrechnung ebenfalls berücksichtigt werden muss.

War der Umsatzrückgang Corona-bedingt oder nicht?

Erhaltene finanzielle Hilfen müssen die Unternehmen auch dann zurückzahlen, wenn der Umsatzrückgang nicht durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie begründet war. Zu belegen, dass der Umsatzrückgang Corona-bedingt war, ist jedoch alles andere als einfach. Eindeutig Corona-bedingt ist der Rückgang lediglich, wenn das Unternehmen in der Pandemie schließen musste – Stichwort Lockdown. Musste es das nicht, wird der Nachweis eines Corona-bedingten Umsatzrückgangs mitunter zu einer großen Herausforderung. Materialengpässe, der Mangel an Fachkräften oder wenn Aufträge aus anderen Gründen nicht bearbeitet werden konnten, zählen nicht per se als Gründe für einen Corona-bedingten Umsatzrückgang. Zahlreiche Abgrenzungsfragen führen dazu, dass sich Unternehmer, Geschäftsleiter, aber auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Frage „War der Umsatzrückgang Corona-bedingt?“ in den Schlussabrechnungen in einem rechtlichen Bereich bewegen, zu dem es bis dato noch keine Rechtsprechung gibt.