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(18.02.2019 / sbr)

Abheben mit gedruckter Elektronik

Geringes Gewicht, Verzicht auf Kabel und eine hochautomatisierte Fertigung maximal individualisierter Bauteile: Die gedruckte Elektronik bietet der Luftfahrtbranche viele Vorteile. Auf dem LOPEC Kongress 2019 geben Dennis Hahn vom Flugzeugbauer Airbus und Max Seißler vom Beratungs- und Technologieunternehmen Altran einen Überblick über die besonderen Anforderungen an fliegende Bauteile. Gemeinsam arbeiten sie am Standort Hamburg mit gedruckter Elektronik für die Flugzeugkabine. Im Interview erläutern sie die Herausforderungen und Visionen.

Seit wann interessiert sich die Luftfahrtbranche für gedruckte Elektronik?

Dennis Hahn: Hochschulforscher haben schon vor 20 Jahren erkannt, dass gedruckte Elektronik für den Flugzeugbau interessant ist und ihre Ergebnisse bei Airbus vorgestellt. Die Materialien entsprachen damals aber noch nicht den extrem hohen Sicherheitsanforderungen der Luftfahrt. Aber seitdem hat sich viel getan. Zusammen mit zwei Fraunhofer-Instituten und Altran haben wir Demonstratoren entwickelt und gemeinsam mit Altran weisen wir gerade nach, dass die gedruckte Elektronik reif ist für Anwendungen in der Luftfahrt.

Welche konkreten Anforderungen müssen die Materialien erfüllen?

Dennis Hahn: Wir untersuchen zum Beispiel die Entflammbarkeit. Dafür werden die Folien, auf die wir die Elektronik drucken, für 15 Sekunden über eine offene Flamme gehalten, wieder entfernt und müssen sich, wenn sie Feuer gefangen haben, innerhalb von 14 Sekunden selbst löschen – ein harter Test für Kunststoffe. Wie sich eine Kombination aus Folie, Tinte und Coating verhält, können selbst unsere Brandexperten nicht vorhersagen. Deswegen mussten wir zahlreiche Materialien testen.

Max Seißler: Wir haben zwar von Anfang an versucht, Risiken zu minimieren und Materialien verwendet, die bereits luftfahrtzertifiziert sind. Aber wenn wir diese Werkstoffe für andere Anwendungen und in neuen Kombinationen einsetzen, kommen Tests hinzu. Und die Entflammbarkeit ist nur ein Thema. Die Bauteile müssen beständig sein gegen Feuchtigkeit und Kondenswasser, gegen aggressive Reinigungsmittel, Insektizide, extreme Temperaturen, Vibrationen und mehr.

Sie beschäftigen sich gemeinsam mit Innovationen für die Flugzeugkabine. Welche Vorteile bietet die gedruckte Elektronik hier?

Seißler: Beim Projektstart vor zwei Jahren hatten wir zunächst eine optimierte Fertigung im Blick. Airlines wünschen sich eine individuelle Ausstattung der Flugzeuge. Das Corporate Branding soll sich in der Kabine widerspiegeln. Für den Flugzeugbauer ist es aber aufwendig, wenn sich der eine Kunde hier ein Display wünscht und der nächste dort etwas anderes, denn für konventionelle Elektronik müssen Kabel eingeplant und gelegt werden. Das geschieht oft noch manuell und dauert Wochen. Wenn wir die Leiterbahnen auf Folie drucken, können wir auf Kabel verzichten. Unser Ziel ist eine digitalisierte, automatisierte Produktion: eine modular aufgebaute Druckerstraße, direkt neben der Fertigungslinie, die individuelle Wünsche in wenigen Stunden bis Tagen umsetzt, selbst wenn der Kunde sich in letzter Minute entscheidet.

Hahn: Mit gedruckter Elektronik können wir neue systemarchitektonische Konzepte verwirklichen. Wir konfektionieren die individualisierten Elektronikkomponenten und integrieren sie in das Kabinenmodul, ohne die Hardware des Flugzeugs verändern zu müssen. Damit bieten wir unseren Kunden noch mehr Möglichkeiten zur individuellen Ausstattung. Und zugleich reduzieren wir mit der gedruckten Elektronik das Gewicht.

Seißler: Außerdem brauchen wir weniger Platz, wenn wir für die Übertragung von Strom oder Daten flache Folien installieren statt Kabel – und davon gibt es im Flugzeug Tausende, die hinter der Verkleidung versteckt sind. Wenn wir diesen Raum einsparen, wird die Kabine größer und die Passagiere haben ein deutlich angenehmeres Flugerlebnis.

In welchem Stadium befindet sich Ihr Projekt zur gedruckten Elektronik?

Hahn: Wir arbeiten jetzt an den ersten seriennahen Prototypen, an einem Anzeigenmodul für den Notausgang und für die Toiletten in der Kabine. Wir drucken im Siebdruckverfahren eine Silbertinte auf einen Polymerträger, den wir dann auf eine Bienenwabenstruktur aufkleben.

Drucken Sie nur mit Silber oder verwenden Sie auch organische Tinten?

Seißler: Für das Infopanel verwenden wir Silbertinten. Bei anderen Prototypen, etwa in der Sensorik, beschäftigen wir uns auch mit organischen Tinten. Für Sensoren gibt es in der Luftfahrt extrem viele Anwendungsmöglichkeiten. In die Außenhaut integrierte Sensoren beispielsweise können Belastungen messen und Aufschluss darüber geben, wann ein Flugzeug den nächsten Überhol- oder Reparaturzyklus braucht. In der Klimaüberwachung wiederum sind Temperatur- und Feuchtigkeits-Sensoren sinnvoll. Gedruckte Elektronik im Flugzeugbau ist ein äußerst weites Feld, von organischen Leuchtdioden für die Kabinenbeleuchtung bis zu RFID-Antennen in der Fertigung, mit denen sich nachverfolgen lässt, wann ein Teil an welcher Produktionsstätte bereit zum Einbau ist.

Was kommt nach dem gedruckten Infopanel? Haben Sie langfristige Visionen?

Hahn: Airbus baut nicht nur Passagierflugzeuge, sondern entwickelt auch Ideen für den zukünftigen innerstädtischen Verkehr. Nehmen Sie das Zukunftskonzept "Pop Up": Da geht es um Lufttaxis für Städte, um Flugaufsätze für autonome Automobile, um die Kombination aus Auto und Drohne. So sieht die Mobilität von morgen aus – und die gedruckte Elektronik soll das möglich machen.

Seissler: Da die Flugautos elektrisch betrieben werden, kommt die Gewichtsersparnis noch viel stärker ins Spiel. Da spielt jedes Kilogramm eine entscheidende Rolle.

Auf dem LOPEC Kongress halten Sie einen Plenarvortrag. Welche Themen werden Sie behandeln?

Hahn: Wir wollen generell über die Anforderungen der Luftfahrtbranche sprechen, aber auch über unsere aktuellen Entwicklungen und darüber, wohin die Reise geht. Es soll klar werden, dass die gedruckte Elektronik tollkühne Ideen zukünftig realisierbar macht.

Seißler: Außerdem gibt es noch einige offene Punkte, etwa zum Thema Konnektoren. Zahlreiche Funktionen und Anwendungen lassen sich schon auf Folie drucken. Die Folien müssen aber letztendlich an ein Strom- oder Datennetz angeschlossen werden. Dafür suchen wir noch überzeugende Lösungen, die den strengen Anforderungen der Luftfahrt entsprechen.

Hahn: Es ist generell so, dass wir uns im Flugzeugbau mit Cutting-Edge-Technologien beschäftigen. Vor diesen hohen Anforderungen herrscht in vielen Unternehmen eine gewisse Ehrfurcht. Wohl auch deswegen gibt es momentan noch eine Lücke zwischen dem, was wir in der Luftfahrt benötigen, und dem, was angeboten wird.

Seißler: Wir besuchen die LOPEC schon seit einigen Jahren, dieses Mal sind wir erstmals aktiv mit einem Vortrag vertreten. Die Chance möchten wir nutzen und alle potenziellen Partner aufrufen uns zu unterstützen.

Der Plenarvortrag "Applications for printed electronics in the aviation industry" findet im Rahmen des LOPEC Kongresses 2019 am 21. März um 09:25 Uhr im Internationalen Congress Center München in Raum 14b statt. Ein Demonstrator zur Flugzeuginnenverkleidung wird zudem auf dem Innovation Showcase (B0 318) zu sehen sein.