NEWS

(12.06.2017 / saj)

Kritik an der Empfehlung zu Titandioxid

Ausschuss der Europäischen Chemikalienbehörde schlägt Gefahreneinstufung des wichtigsten Weißpigments vor.

Der Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienbehörde hat empfohlen, das Weißpigment Titandioxid als einen Stoff "mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen" durch Einatmen einzustufen. In einer ersten Stellungnahme zeigt sich die Farbenindustrie bestürzt über diese Empfehlung: "Ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage wird hier einer der wichtigsten Rohstoffe unserer Industrie zu Unrecht stigmatisiert. Titandioxid wird seit Jahrzehnten erfolgreich und sicher für die Produktion von Lacken, Farben und Druckfarben eingesetzt – für uns ist Titandioxid schlicht unverzichtbar", sagt Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie. 

 

Die Farbenindustrie ist mit einem Anteil von 57% der Hauptabnehmer von Titandioxid. Das Weißpigment ist der mit Abstand wichtigste Rohstoff dieser Industrie und in den meisten Farben enthalten. Gleichwertige Alternativen gibt es nicht: Pigmente wie Calciumcarbonat, Zinkoxid, Zinksulfid und Bariumsulfat haben technisch und coloristisch schlechtere Eigenschaften, z.B. hinsichtlich Deckkraft und Witterungsbeständigkeit.

 

Hintergrund für die Ausschussempfehlung ist die Befürchtung, dass Arbeiter an Lungenkrebs erkranken könnten, wenn sie bei der industriellen Herstellung und Verarbeitung Staubemissionen u.a. von Titandioxid ausgesetzt sind. "Titandioxid wird Farben als Pigment zugegeben und ist danach fest in die Bindemittelmatrix eingebunden. Es kann daher gar nicht eingeatmet werden. Eine Gefahrenkennzeichnung für Farben ist daher nicht nur sinnlos, sondern auch irreführend für den Verwender", so Engelmann.

 

Um Arbeitnehmer vor Stauberkrankungen zu schützen, hätten die meisten EU-Mitgliedsstaaten bereits Staubgrenzwerte am Arbeitsplatz eingeführt, erklärt er weiter. Deutschland sei hier international Vorreiter. Zudem hätten Untersuchungen über mehrere Jahrzehnte hinweg an ca. 24.000 Arbeitern in 18 Titandioxidfabriken, u.a. in Deutschland, keine negativen Auswirkungen von Titandioxid auf die Gesundheit festgestellt.

 

Eine Einstufung von Titandioxid würde erheblichen Druck auf die Hersteller ausüben, ihre Farbrezepturen zu verändern. So sind z.B. 95% der RAL-Farbtöne mit Titandioxid hergestellt. Die allermeisten Hersteller von Farben und Lacken sind mittelständische Unternehmen, die keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen haben und die deshalb eine solche umfassende Rezepturänderung nicht durchführen können. Ihr Überleben am Markt wäre akut gefährdet.

 

"Das Einstufungsverfahren führt schon jetzt zu einer großen Verunsicherung in vielen Industriebranchen und deren Abnehmern. Wir fordern von der Politik, dass sie bei der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene die wissenschaftliche Begründung des Vorschlags kritisch überprüft und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer Einstufung im Blick behält", sagt Engelmann.