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(31.05.2017 / saj)

Ein Mann und seine Mission

In einem Interview spricht Rafael Peñuela Torres (Bild), CEO von Manroland Sheetfed, mit dem Fachjournalisten Nick Coombes über den Umbau nach der Insolvenz, die sich jetzt zum fünften Mal jährte.

Es sind nun fünf Jahre seit den schweren Tagen der Insolvenz vergangen - erzählen Sie bitte etwas über Ihren Hintergrund im Unternehmen.
1992 begann ich als Finanzleiter in Spanien. In der damaligen Zeit war es in den meisten Ländern üblich, dass unabhängige Händler MAN Roland vertraten. Dies änderte sich 1999, als die meisten Vertriebsgesellschaften erworben wurden und ich somit ein "Roländer" wurde. Nach verschiedenen Funktionen landete ich als Vertriebsleiter Bogenmaschinen in unserer Ofenbacher Zentrale. Bedenken Sie bitte, dass zu dieser Zeit der Bogen- und Rollenbereich ein Unternehmen war.


Wie sehr waren Sie bei den Insolvenzverhandlungen involviert?
Der Prozess begann im November 2011 und nach deutschem Recht hatte das Unternehmen drei Monate Zeit, einen Investor zu fnden, um das Geschäft fortsetzen zu dürfen. Wir hatten von Wettbewerbern bis hin zu Branchenfremden mehr als ein Dutzend Interessenten - es war wie ein Schönheitswettbewerb, in dem wir unseren Wert unter Beweis stellen mussten! Zu einem gewissen Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass es uns in der zur Verfügung stehenden Zeit schwerfiel, eine zufriedenstellende Lösung zu finden - aber Langley wartete in den Startlöchern und trat Ende Januar hervor; als klar war, dass andere Interessenten aus welchen Gründen auch immer innerhalb der vorgegebenen Zeitschiene nicht zum Zuge kommen konnten. Am 9. Februar 2012 wurde Langley neuer Eigentümer von Manroland Sheetfed - der Rollenbereich war in diesem Stadium bereits abgestoßen.


Also, was hatte Langley tatsächlich gekauft?
Alle Vermögenswerte des ehemaligen Manroland-AG-Bogenbereiches: Gebäude, Lagerbestände, Forderungen, Anlagen, Maschinenpark; alles - inkl. der Anteile an unseren rd. 40 weltweiten Marktorganisationen. Und natürlich übernahm er die Verantwortung für die Mitarbeiter. Zu diesem Zeitpunkt stellte dies seine größte Akquisition dar sowie einen beträchtlichen fnanziellen Einsatz. Es war auch ein großer Ansporn für unser Selbstwertgefühl und Vertrauen, dass ein Außenseiter der Druckindustrie Manroland als existenzfähiges Unternehmen sah.


War die Umstellung schwierig?
Die Insolvenz war der schwierigere Teil, ab dem Moment der Übernahme durch Langley waren wir startbereit. Bis sich alles einspielte, hatten wir rund 1000 Mitarbeiter in Ofenbach und weitere 1000 weltweit und konnten das Geschäft ordnungsgemäß fortsetzen. Die im Bau befndlichen Druckmaschinen konnten fertiggestellt werden und wir haben somit die Aufträge erfüllt, die wir in den Auftragsbüchern hatten. Aber Sie müssen bedenken, dass der Markt sich damals weiterhin mit den Auswirkungen der globalen Finanzkrise und den Rahmenbedingungen schwer tat. Die ganze Situation war sehr ungewiss, aber wir hatten eine installierte Basis von rund 10.000 Druckmaschinen zu betreuen und viele treue Kunden, die auf unsere Maschinen vertrauten, um ihren Geschäften nachzugehen. Dies stellte sowohl eine Verpfichtung als auch eine Chance dar. Es ist uns auch gelungen, die meisten unserer talentierten Mitarbeiter in F&E und Produktion zu halten, was entscheidend dafür war, einen nahtlosen Übergang unter dem neuen Eigentümer zu schafen.


Ich kann mir vorstellen, dass es große Veränderungen im Führungsstil gab?
Oh ja! Wie so viele Unternehmen unserer Größe und Komplexität sind wir mit einer Konzerndenkweise aufgewachsen - mit vielen Führungsebenen und verschiedensten Regeln, die beachtet werden mussten. Dies alles veränderte sich - und ganz offen gesagt, war dies notwendig! Wir mussten beweglicher und reaktionsfreudiger werden, und das beinhaltete die Annahme dessen, was die Deutschen als “Mittelstandsmentalität” bezeichnen. Der Grundsatz ist ein zupackender Managementstil mit der Messlatte “Würden Sie Ihr eigenes Geld auf diese Weise ausgeben?” Das Ziel war (und ist noch heute) im Rahmen unserer Verhältnisse zu leben und nicht das auszugeben, was wir nicht haben. Es war sicherlich ein Kulturschock für viele unserer Mitarbeiter; es ist ihnen anzurechnen, dass die meisten die Veränderungen angenommen habe. Diejenigen, die es nicht taten, sind nicht mehr hier!


Wie schätzen Sie den aktuellen Markt für Bogenofsetmaschinen ein?
In den von uns überwiegend bedienten Formaten, nämlich 0B und größer, sehen wir uns als einen der fünf Hauptakteure - drei Deutsche und zwei Japaner. Obwohl es z.B. in China viele Druckmaschinenhersteller gibt, die nach wie vor hauptsächlich für den nationalen Markt fertigen, sehen wir die Situation in absehbarer Zeit nicht wesentlich verändert. Besonders in Deutschland, der Wiege des Druckens, hat sich die Technologie über viele Jahrzehnte entwickelt und Manroland war immer schon in der vordersten Reihe der Erfndungen und Innovationen im Druck. Es gibt zwei Treiber: den Verpackungs- und Werbedruck. Persönlich glaube ich, dass Offsetdruck eine aussichtsreichere Zukunft in den Bereichen Akzidenz und Verlagsdruck hat als viele andere vermuten. Dies wird sich durch die Schwellenmärkte ergeben, wo der Analphabetismus statt durch Tablets durch das gedruckte Wort zu überwinden sein wird. Man muss nur schauen, wie viele staatliche Förderprogramme es in Afrika und Lateinamerika zur Verbesserung des Zugangs zu Schulbüchern gibt, um die Geschäftschancen für Ofsetdrucker wahrzunehmen. Indien, Südostasien und das bereits genannte China haben ähnliche Themen. Und dann gibt es natürlich das zunehmende Wachstum des Verpackungsdrucks weltweit, da die Verbrauchernachfrage nach Markenartikeln steigt - und das ist ein Eckfeiler unseres Geschäfts.


Was hat die heutige Manroland Druckereien zu bieten?
Von Anfang an haben wir uns entschieden, unser komplettes Druckmaschinenportfolio zu erhalten. So bieten wir weiterhin ein 0B-Sortiment an, obwohl wir dieses Marktsegment erst spät nach unseren Wettbewerbern betreten haben - aber Manroland wird traditionell für seine Mittel- und Großformatpressen geschätzt, die als 700er- und 900er-Serien bekannt sind. Wir leisteten Pionierarbeit bei vielen Funktionen, die heute als selbstverständlich erachtet werden. Das neueste Angebot ist die R 700 Evolution, die heute ohne Zweifel die technologisch fortschrittlichste Druckmaschine im Markt ist. Manroland steht nach wie vor für technologieführenden und äußerst gelungenen deutschen Maschinenbau - der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit mit sich bringt.


Und noch etwas?
Noch einen letzten Punkt: Service! Es geht nicht nur darum, die beste Druckmaschine der Welt zu verkaufen, sondern auch darum, sicherzustellen, dass diese Maschine während ihres gesamten Lebenszyklus tagein und tagaus eine optimale Leistung bringt. Dies geht viel weiter als ein einfacher Austausch von Verschleißteilen - es bedeutet vielmehr die Entwicklung einer engen Kundenbeziehung, das Verstehen des Geschäfts sowie eine enge Zusammenarbeit, um gemeinsam eine größtmögliche Effzienz - nicht nur für die Druckmaschine, sondern auch für die betrieblichen Prozesse zu erreichen. Wir nennen das TOP: Technologie - Organisation - Personen. Letzten Endes haben wir ein Ziel mit TOP: Unsere Kunden so effzient wie möglich zu machen. Meistens bieten wir diese Betreuung durch unsere über 40 eigenen Tochtergesellschaften bzw. an den Orten, an denen wir keine Tochtergesellschaften haben, durch sehr gut etablierte und vertrauensvolle Vertriebs- und Servicepartner an, die selbstredend von unseren Experten hier in Deutschland unterstützt werden. Im Wesentlichen arbeiten wir dafür, dass unsere Kunden in einem schwierigen Marktumfeld wettbewerbsfähig und proftabel bleiben und betrachten jeden unserer Maschinenanwender als lebenslangen Geschäftspartner.


Wo steht Manroland im Digitalmarkt?
Aus heutiger Sicht sehen wir in unseren Hauptmärkten für Verpackungen und hochwertigen kommerziellen Druck den Digitaldruck nicht als Bedrohung. Nach wie vor wird nur ein kleiner Prozentsatz aller Druckprodukte digital gedruckt. Bei den meisten Aufagenhöhen ist die Offsetlösung bei den Kosten pro Bogen im Vergleich zu einem Inkjet- oder Tonerverfahren deutlich vorteilhafter. Mit den Fortschritten, die wir bei der Beschleunigung von Rüstzeiten und Jobwechseln gemacht haben, sind wir auch bei Aufagen von unter 1000 Bogen mit dem Digitaldruck wettbewerbsfähig. Selbstverständlich hat der Digitaldruck den Vorteil des Personalisierens von gleichen Druckprodukten - es ist klar, dass hier für Aufagen unter 1000 Bogen das digitale Verfahren der richtige Weg ist. Wir glauben an die Möglichkeiten der Verbindung beider Verfahren und haben unser Interesse an Landas Nanotechnologie bekundet. Grundsätzlich sehen wir den Digitaldruck nicht als Wettbewerb, sondern vielmehr als ergänzendes Verfahren.

 

Was waren die Prioritäten, als Sie mit dem Umbau begannen und sind Sie in diesen fünf Jahren gut vorangekommen?
Im Wesentlichen die Mentalitätsänderung und die Aufrechterhaltung des Betriebes. Die veraltete Unternehmenskultur verschwand über Nacht - es war hart, aber es war der einzige Weg nach vorn. Und wir hatten Verpfichtungen gegenüber unseren Kunden zu erfüllen, so dass es gar keine Zeit zum Nachdenken gab. Wir förderten eine Reihe von neuen Führungskräften, die neue Ideen brachten und beseitigten die alten verwässerten Verantwortungen mit Ausschüssen, Sitzungen, Arbeits- und Lenkungsgruppen und das Drum und Dran, das mit der großen Organisation verbunden war. Inzwischen gibt es ein weit größeres Maß an persönlicher Verantwortung und Entscheidungsspielraum, da wir das Unternehmen insgesamt mit deutlich weniger Personen führen. Auf der technischen Seite konzentrierten wir alle unsere Fabriken an einem Ort und auf der fnanziellen Seite lernten wir sehr schnell, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu leben. Unseren Kunden zeigten wir die nötige Kontinuität, um ihnen Sicherheit zu geben - und intern stellte sich eine Aufbruchsstimmung und ein Gefühl für Herausforderungen ein, was zuvor fehlte. Ganz konkret haben wir innerhalb von zwei Jahren eine neue Druckmaschine, die Roland 700 Evolution, entwickelt und eingeführt, was in den alten Zeiten undenkbar gewesen wäre. Die Evolution wurde vom Markt sehr gut aufgenommen und wir haben bisher mehr als 500 Einheiten ausgeliefert. Ich glaube, dass wir in fnanzieller Hinsicht gute Arbeit geleistet haben. Langley musste keine weiteren fnanziellen Mittel nachschießen und wir haben in jedem der letzten fünf Jahre schwarze Zahlen geschrieben. Hinzu kommt, dass wir den von Langley gezahlten Kaufpreis inzwischen vollständig erwirtschaftet haben - ja, ich möchte behaupten, dass wir gute Arbeit geleistet haben.


Wie beurteilen Sie die Zukunft der Bogenoffsettechnik?
Ich glaube, dass trotz der auftretenden Veränderungen in unserer Industrie die kurz- und langfristige Zukunft für Bogenoffset vielversprechend ist. Aber die Hersteller, die sich nicht wie Manroland angepasst haben, sind gefährdet. Wenn Manroland nicht "zu groß war, um zu scheitern", dann sind es andere auch nicht!


Was sind die mittel-und langfristigen Ziele bei Manroland Sheetfed?
Mit dem Tempo, mit dem sich die Dinge in diesen Tagen ändern, ist es schwierig, mittel- und langfristig zu defnieren! Im Allgemeinen wollen wir auf dem Fundament aufbauen, das  wir in den letzten fünf Jahren errichtet haben. Wir haben es geschaft, durch eine sehr schwierige Zeitspanne zu kommen und sind uns vor diesem Hintergrund voll und ganz darüber im Klaren, dass das Volumen nicht auf das Niveau von vor 2007 zurückkehren wird. Wir wissen, dass wir für das aktuelle Geschäftsniveau jetzt angemessen aufgestellt sind. Mit unserer neuen operativen Effizienz ist das Unternehmen mit weniger als 500 Druckwerken pro Jahr proftabel, aber wir haben andererseits die technische Fertigungskapazität beibehalten, um diese Menge bei Bedarf mit sehr geringen Mehraufwänden mehr als zu verdoppeln.


Welche Rolle spielt Langley Holdings und Tony Langley in diesen Tagen?
 "Voll engagiert" ist die beste Antwort, die ich geben kann! Wir selbst genießen die Sicherheit, Teil der Langley-Holdings-Unternehmensgruppe zu sein und wissen, dass Tony Langley eine langfristige Sicht auf seine Investitionen hat und haben dennoch selbst ein hohes Maß an Autonomie. Soweit ich weiß, hat er in 40 Jahren nie ein von ihm erworbenes Unternehmen verkauft und beabsichtigt dies auch nicht. Er nennt sich selbst stolz einen "Roländer" und verfolgt mit großem Interesse, was wir tun - aber er involviert sich nicht im Tagesgeschäft, denn wir haben die Langley-Kultur der Unternehmensführung bereits verinnerlicht. Die Unternehmensgruppe ist sehr erfolgreich, ungeachtet der unterschiedlichen Phasen der Marktzyklen in seinen verschiedenen Unternehmensbereichen. Er hat ein tiefes Verständnis des Geschäfts und einen starken Glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind.


Sind Sie froh, dass Sie nach der Insolvenz die Aufgabe des Unternehmensumbaus übernommen haben?
Ja, es war erbauend, dass wir nicht nur eine alteingesessene Institution gerettet haben, sondern diese auch ins 21. Jahrhundert brachten. Ganz zu schweigen von der Erhaltung von Hunderten von Arbeitsplätzen sowie der anhaltenden Unterstützung vieler tausend Druckereien weltweit. Es ist nicht auszudenken, wie sehr diese Druckereien gelitten hätten, wenn unser Unternehmen untergegangen wäre. Sicherlich wäre die Druckbranche als Ganzes ärmer, wenn uns der Fortbestand nicht gelungen wäre. Nun machen wir uns voller Energie und mit einem auf die Zukunft gerichteten Blick auf den weiteren Weg.