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(17.12.2015 / saj)

Welche ISO-Normen kommen 2016/17?

Auf dem letzten Meeting in Seoul wurden Standardisierungsprojekte zu Workflow und Farbwiedergabe bearbeitet, die überwiegend schon 2016 Gültigkeit in der Praxis erlangen.

Anfang November tagte in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul eine Woche lang das ISO Technical Committee 130 "Graphic technology". Über den DIN-Normenausschuss "Druck- und Reproduktionstechnik (NDR)" sind darin auch deutsche Experten, u. a. vom Bundesverband Druck und Medien (BVDM), vertreten. Im Rahmen der Neu- und Weiterentwicklung weltweit gültiger Standards wahren sie die Interessen der deutschen Druckindustrie im Hinblick auf sinnvolle und weitgehend märkte- und herstellerunabhängige Normenwerke.


PDF/X-6 wird erster "blind exchange" auf Basis von PDF 2.0


Die Konvention "PDF/X" für den unbesehenen Austausch von PDF-Druckdokumenten geht auf eine Initiative des Verbands zurück und führte 2001 zur Verabschiedung der ISO 15930. Die z.Z. gültigen Subsets spiegeln die permanente Anpassung von PDF/X an die weiterentwickelten PDF-1.x-Spezifikationen und die gewachsenen Workflow-Anforderungen wider: verschiedene Farbräume, Farbmanagement-Unterstützung bis hin zu mehrkanaligen Profilen und Referenzierung anderer PDF-Dokumente im OutputIntent.


Bereits seit 2012 ist Teil 9, PDF/X-6, in der Entwicklung. Er soll zeitnah zur PDF-2.0-Spezifikation erscheinen, die 2016 oder 2017 als ISO 32000-2 vom ISO/TC 171 publiziert werden wird. Diese Synchronisation ist notwendig, um dem stärkeren Crossmedia-Charakter von PDF 2.0 Rechnung zu tragen. Notizen, Formulardaten oder Videostreams sind im Printdokument nicht länger verboten, sondern werden in geeigneter Weise behandelt (unterdrückt). Ziel ist es, die PDF-Inhalte mit ein und derselben Softwarelösung medienneutral zu generieren, d.h. mit allen Funktionen und in hoher Auflösung gleichermaßen in allen Medienkanälen.


PDF und PDF/X im Verpackungsdruck


Teil 1 der überarbeiteten ISO 19593, "PDF-Gebrauch in nachgeordneten Verarbeitungsstufen" soll den speziellen Grafikdesign- und CAD-Prozessen in der Verpackungs- und Etikettenproduktion besser gerecht werden. Mit einem hohen Anteil an Sonderfarben sowie Kontur-, Falt- und Stanzdaten werden ganz andere Anforderungen an das PDF gestellt als bei Seitenpublikationen. Teilweise die gegebene 3D-Fähigkeit von PDF nutzend, sind Strukturdaten der Verpackungskörper, Braille-Prägungen, Dimensions- und Positionierungsanweisungen, Deckweißauftrag und Veredelungsfeatures zu beschreiben und zu visualisieren. Die Norm referenziert PDF 1.7 sowie PDF/X-4 und -5 (auf Basis von PDF 1.6).


Das Thema war bereits 2011 von der Ghent PDF Workgroup angestoßen worden. Seinerzeit wurde auch über die Einbettung spektraler Farbmesswerte von Sonderfarben in PDF nachgedacht. Dies sieht die neue Norm leider nicht vor, da der Schwerpunkt auf Kontur- und Strukturinformationen gelegt wird.


PDF/VCR ergänzt PDF/VT im Digitaldruck


Die Task Force "PPML/VDX" (Personalized Print Markup Language / Variable Data Exchange) innerhalb der Working Group 2 zeichnet für die Entwicklung von Normen für den digitalen Druck variabler Inhalte verantwortlich. Mit der PDF/VT-Spezifikation "Document exchange for variable data and transactional printing" (ISO 16612-2) existiert bereits eine Norm, die den Gebrauch von PDF/X-4 (PDF/VT-1) und PDF/X-5 (PDF/VT-2) beschreibt; dazu wurden in Seoul Anwendungsvorschriften und -beispiele entworfen.


In Ergänzung zu PDF/VT ist nun die Spezifikation PDF/VCR, "Variable content replacement" (ISO 16613-1), in der Entwicklung. Sie beschreibt den Einsatz von PDF/X-4-Platzhaltern, die Templates (Seiten und Rahmen) für variable Inhalte besitzen, die während des Auflagendrucks dynamisch ausgetauscht werden können. Dabei sind die vorgehaltenen Austauschinhalte ebenfalls PDF-basiert und bilden in Echtzeit mit dem Template eine druckbare PDF/X-4-Seite (ISO 15930-7). Bisher waren Austauschszenarien nur für andere Datenströme standardisiert, u.a. das JDF-kompatible PPML. Jedoch ist PDF/X-4 mittlerweile die häufigste Austauschanwendung, weshalb die Standardisierung nötig erscheint.


XJDF soll Cip 4 JDF/JMF vereinfachen


Nachdem sich JDF 1.51 und 1.6 in der Praxis eher als weitgehend herstellerabhängige, aber nicht als universelle Informationsaustauschformate etabliert haben, soll Cip 4 JDF 2.0, "XJDF", als vereinfachtes JDF/JMF implementiert werden. Der simple XML-Code ist frei von Dialekten und kompatibel mit modernen XML-Werkzeugen. Dabei sollen sich JDF/JMF-Komponenten in bestehenden Szenarien und Lösungen durch die neuen XJDF-Komponenten problemlos ersetzen lassen.


XJDF soll in Plug-and-play-Manier funktionieren, was durch eine völlig andere Formatstruktur als in JDF/JMF erreicht wird. Eine fast fertige Spezifikation und ein kostenloses Konvertierungsmodul zwischen JDF und XJDF und retour sind bereits verfügbar.


Qualitätsanforderungen und -monitoring mit PRX und PQX


Noch im Anfangsstadium befindet sich die ISO 20616, die auf den Austausch von Qualitätsparametern zwischen Markenartiklern/Drucksacheneinkäufern einerseits sowie Druckdienstleistern andererseits abzielt. Bis zum nächsten Meeting im Mai 2016 in Berlin wird sich eine Expertengruppe (u.a. mit umstrittenen G7-Entwicklern) formieren. Mit "Print Requirements e-Xchange (PRX)" beschreiben die Einkäufer ihre Qualitätsanforderungen, mit "Print Quality e-Xchange (PQX)" berichten die Dienstleister ihre erbrachten Qualitätsparameter und -toleranzen. PQX ist quasi ein Format für das Qualitätsmonitoring, vor allem für konstante Farbwiedergabe und fehlerfreies Druckbild. Beide Formate sind auch geeignet, Anfragen mit Leistungsprofilen abzugleichen.


Angesichts des Standes der Technik muss man jedoch zu der kritischen Einschätzung gelangen, dass sich z.Z. mit den beiden definierten XML-Containerformaten die komplexen Monitoring-Aufgaben nur zu einem Bruchteil standardisieren ließen. Ohnehin lassen sich Qualitätsanforderungen generell nur schwer standardisiert beschreiben und reproduzierbar messen. Zumindest werden u.a. ISO 15311-1 (Messmethoden und Reportschema für Druckprodukte; kommt Anfang 2016) und ISO 17972-1:2015 (Farbmessdaten-Austauschformat CXF 3) referenziert, Cip 4 und PDF/X aber nicht. Auch Produktstruktur und Rankings werden nicht von PQX abgedeckt, was jedoch etablierte Lösungen längst können. Unabhängig davon liegt eine Norm, deren Ergebnis "die gläserne Druckerei" ist, nicht im Interesse aller Druckdienstleister.


Aufgehellte Prüfdrucke nach ISO 12647-7:2016


Ende September waren in einer maßgeblich vom Verband organisierten Kick-off-Veranstaltung an der HDM Stuttgart die ECI-v3-Profile für die neuen ISO-Druckbedingungen PC1 (Premium-gestrichen Offset, moderat aufgehellt) und PC 5 (Ungestrichen Offset holzfrei, stark aufgehellt) gemäß ISO 12647-2:2013 vorgestellt worden. Jetzt rückt der Normteil 7 in den Blickpunkt. Er beschreibt das Betrachten (Abmustern) digitaler Farbprüfdrucke unter Anwendung der Lichtart D 50 inkl. des UV-Anteils im Mess- und Abmusterungslicht, wie auch in ISO 12647-2 gefordert: Spektraldensitometer-Messmodus M 1 (ISO 13655:2009) und Abmusterungsbedingungen in Vorstufe und Drucksaal (ISO 3664:2009). Damit ist es möglich, nicht nur im Auflagendruck, sondern auch im Proof optisch aufgehellte Papiere besser zu bewerten, und die Abmusterungs- und Messwerte-Diskrepanz zwischen Vorstufe und Drucksaal wird damit beseitigt.


Als Farbabstandsformel für die verschiedenen definierten Toleranzen ist nicht länger Cielab (1976) gültig, sondern CIE 2000 (CIEDE00, dE00). In der Praxis werden somit auch neue Toleranzwerte kommuniziert, die im Durchschnitt aber den bisherigen Unterschieden weitgehend entsprechen.


SCTV für Standardisierbarkeit von Sonderfarben


Die künftige ISO 20654, "Spot Colour Tone Value (SCTV)", befasst sich mit dem Messen und Berechnen der Tonwerte von Sonderfarben im Vielfarbendruck. Der bislang nicht in Standards abgebildete Bereich will Volltöne sowie Rastertonwerte und deren Zunahme für Farbauszüge mittels spektraler und Cielab-Farbmesswerte definieren. Ein informativer Anhang geht darauf ein, wie die spektrale Farbdichte gemessen und interpretiert wird.


Universelle Farbprofile mit icc-max


Die Spezifikation des ICC-Profilformats v5 (ISO 15076-x), kurz "icc-max", angestoßen vom Bereich Architektur im ICC, wird im Februar 2016 zur Abstimmung gestellt. Sie berücksichtigt Material- und Objekteigenschaften und ist frei in der Wahl des Normalbeobachters (2°, 10°) und der Lichtart im Profilverbindungsfarbraum (nicht nur D 50) und erlaubt das Verarbeiten mehrkanaliger und spektraler Daten.


Trotz der Fähigkeit, auch Fluoreszenz beschreiben zu können, soll icc-max bei der künftigen Bewertung optisch aufgehellter Papiere aber keine Rolle spielen. Interessant dürfte es jedoch im Hinblick auf die Metamerie von Verpackungsfarben unter wechselnden Beleuchtungsbedingungen in den Verkaufsräumen werden.