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(21.11.2025 / sbr)

Zuversicht in ungewissen Zeiten: Kosmetikbranche beweist Pioniergeist

„Schöne Zeiten – Starke Marken“: Unter diesem Motto widmete sich der 28. Deutsche Verpackungsdialog in Heidelberg erstmals einer Branche, die wie keine andere für die schönen Dinge im Leben steht. Die Rede ist von der deutschen Spitzen- und Naturkosmetik, deren Produkte international als „G-Beauty“ bzw. Kosmetik „made in Germany“ Erfolge feiern. Dass sie auch in weniger schönen Momenten Trost spendet, versteht sich von selbst. Gewollt doppeldeutig waren demnach die „schönen Zeiten“ zu verstehen, die der Veranstaltung dieses Jahr als Leitidee dienten.

Um Verbrauchern selbst in wirtschaftlich wie politisch angespannten Epochen Zuflucht zu bieten, müssen die herstellenden Unternehmen jedoch manche Hürde nehmen, Trends adressieren und bisweilen die eigene Marke neu ausrichten – ohne sich dabei untreu zu werden. Unter diesen Gesichtspunkten diskutierten Museumsleiter Hans-Georg Böcher und ausgewählte Vertreter charismatischer Kosmetikmarken am 12. November in Heidelberg den Status quo einer Branche, die sich als ausgesprochen mutig, agil und dennoch traditionsbewusst zeigte. Neben Veit Weiland, CEO DACH der Parfümerie-Kette Douglas, standen Stephan Kemen, CEO der Mäurer & Wirtz GmbH, Nicolas Lindner, geschäftsführender Gesellschafter der Börlind – Gesellschaft für kosmetische Erzeugnisse mbH und Astrid Teckentrup, Vorsitzende der Geschäftsführung DACH bei Procter & Gamble, hinter dem Rednerpult.

Die Experten setzten die lange Reihe an Referenten fort, die im Deutschen Verpackungsmuseum seit fast drei Jahrzehnten zentrale Kapitel der deutschen Wirtschafts- und Markengeschichte in Personalunion nachzeichnen – ein Umstand, der ihn mit Stolz erfülle, so Hans-Georg Böcher. Der Museumsdirektor und Markenkenner dankte zum Auftakt all jenen Förderern, die das Museum über diesen langen Zeitraum unterstützt und dessen Existenz damit selbst in jenen „schönen Zeiten“ aufrechterhalten haben, die aktuell auch vor dem Kultursektor nicht Halt machten. Von Sponsoren wie Schubert, Mondi, Optima, BOSCH Rexroth und vielen weiteren hänge nicht zuletzt die Zukunft einer Einrichtung ab, die mit dem Verpackungsdialog eine weithin bekannte Kult-Veranstaltung ins Leben gerufen habe.

Kein Grund zum Pessimismus

Wie ein Konzern in diesen Zeiten besteht, der nicht nur in Heidelberg und Deutschland, sondern in 22 Ländern Filialen betreibt und zuletzt 4,45 Mrd. Euro erwirtschaftete, führte Veit Weiland anhand der bewegten Geschichte von Douglas aus. Was 1821 als Geschäftsidee des Seifensieders John Sharp Douglas begann, umfasst heute Premium-Produkte, Beratung und ein Verkaufsnetz, dass on- wie offline nah am Verbraucher arbeite, so Weiland. Dieser Mischung aus Omnichannel-Marketing, hochwertigen, oftmals exklusiv vertriebenen Produkten und Zusatzleistungen sei es, die Douglas über Jahre hinweg erfolgreich gemacht habe.

Für das Unternehmen stünden deshalb – ganz unironisch – schöne Zeiten an: Nach dem erneuten Börsengang im März 2024 konzentriert Douglas sich aktuell auf den Ausbau des Geschäfts, unter anderem in Belgien. „Mit Pessimismus kommt man nicht weit“, bilanzierte Weiland und betonte, dass das Unternehmen bewusst kämpferisch handele, um zu bestehen. Das bedeute, als „Haus der Marken“, wie er das Unternehmen prägnant charakterisierte, Marktanteile zu sichern. Das gelinge über eine besondere Wechselwirkung: Douglas verkaufe nicht bloß Marken, sondern mache manche erst groß. Auf diese Multiplikatorfunktion gehe ein wesentlicher Teil des Erfolges zurück: „Unsere Marktführerschaft bedeutet Sichtbarkeit für aufstrebende Brands und mehr Auswahl für die Verbraucher, nicht selten auch ein preislicher Vorteil“. Schließlich, so die Strategie, gehe es nicht allein darum, Produkte aus den oberen, sondern auch mittleren und unteren Preissegmenten anzubieten. Verbraucher wollten sich etwas Gutes tun, Luxus sei aber für die wenigsten erschwinglich. Das habe sich besonders in der Covid-Pandemie gezeigt. Das Bedürfnis, sich wohlzufühlen, habe Douglas in diesen herausfordernden Jahren viel Rückenwind gegeben – am „Lipstick-Effekt“, nach dem Böcher abschließend fragte, sei etwas dran, gestand Weiland. „Kleine Freuden spielen in diesen Zeiten eine große Rolle.“

Gelungene Verjüngung

„Als Ikone von Oma geerbt. Als Ikone von Tiktok gefeiert“ titelte der Folgevortrag von Stephan Kemen. Gemeint war das bekannte Duftwasser der Marke „4711“, das mit Beharrlichkeit im Design und in der Unternehmensführung eine in Deutschland wohl einmalige Erfolgsgeschichte schrieb. 230 Jahre im Handel, 205 davon mit unveränderter Flaschengestaltung – das habe viel mit dem Mut zu tun, „die eigene DNA“ zu erhalten, ohne stillzustehen, wie Kemen anhand eines temporeichen Streifzugs durch die Geschichte und die schrittweise Verjüngung der Marke demonstrierte.

Bereits der Erfinder dieses „Eau de Cologne“ (wörtlich „Wasser aus Köln“), wie es die Franzosen im 18. Jahrhundert nannten, zeigte sich agil, wenn es darum ging, sein Produkt zu verteidigen: Als die Stadt Köln eine Offenlegung der Rezeptur forderte, deklarierte Wilhelm Muelhens seine Kreation kurzerhand von Arzneimittel zum Duftwasser um – und entwarf im Jahre 1820 mit dem Destillateur Peter Heinrich Molanus die markenspezifische Flasche, die seitdem in den Verkaufsregalen steht.

Aber eben nicht allein: Um jenes in die Jahre gekommene Image abzulegen, das der Vortrag eingangs thematisierte, entwickelte das herstellende Unternehmen Mäurer & Wirtz neue Produktlinien wie „4711 Remix“, „Acqua Colonia“ und die „Collection Absolue“. Während die Remix-Linie eine jüngere Zielgruppe anspreche – die Markenbekanntheit liege hier mit lediglich 35 Prozent deutlich niedriger als in älteren Verbrauchersegmenten – treibe Mäurer & Wirtz mit der Collection Absolue seit 2009 die Premiumisierung der Marke voran, führte Kemen aus. Anders als bei „4711 Echt Kölnisch Wasser“, einem Eau de Cologne, handelt es sich bei dieser Reihe um hochpreisige Parfums, für deren Komposition renommierte Parfumeure verantwortlich zeichnen. Mit Erfolg: Für die neuen Kreationen erhielt Mäurer & Wirtz zahlreiche Auszeichnungen.

„Mutig zu sein, wurde belohnt“, schloss Kemen, der damit ganz in der Tradition Wilhelm Muelhens handelt, der bereits früh die Internationalisierung der Marke wagte und damit ökonomisch opportun vorging. Anders als Muelhens hat das heutige Unternehmen den Schritt in die Diversifizierung gewagt: „4711 ist mehr als ein Duft, sondern eine Marke von internationalem Rang. Entsprechend haben wir mit ihrem Revival eine ganze Welt aufgemacht“, erläuterte Kemen das breitere Portfolio.

Diese offene Haltung spiegeln die Zukunftspläne: Künftig möchte Mäurer & Wirtz wieder mehr in den Retail investieren. Für 2026 ist die Eröffnung eines Stores in New York City geplant – wie es sich für eine Marke dieses Formats gehört. „Zeit vergeht. Ikonen bleiben“ ließ denn auch die letzte Folie des Vortrags verlauten. Man möchte fast ergänzen: Mutige Ikonen. Belohnt wurde am 12. November auch die Marke selbst: Die jährliche Auszeichnung „Verpackung des Jahres“ ging an „4711 Echt Kölnisch Wasser“ für die hohe Selbstähnlichkeit und das einprägsame, über Jahrhunderte konsistente Flaschendesign.

Aus dem Schwarzwald nach Los Angeles

Nicht weniger resolut handelten die Persönlichkeiten, die der Marke „Annemarie Börlind“ zu internationalem Renommee verhalfen. Dies ermöglicht seit 66 Jahren die Familie Lindner aus Calw, mittlerweile in dritter Generation. Als junger Co-CEO übernahm Nicolas Lindner 2020 zusammen mit seiner Schwester Alicia die Unternehmensführung. Kein leichtes Unterfangen, wie Lindner berichtete, stürzte die Pandemie die beiden Unternehmer doch gleich ins kalte Wasser, aber keinesfalls in die Krise. „Vom einen auf den anderen Tag mussten wir führen, ohne Fallnetz. Das machte uns zu einem eingefleischten Team, das diesen schwierigen Start meisterte.“

Dieses Durchhaltevermögen zeigten bereits die gründenden Großeltern: Zunächst drohte in der DDR, in der Annemarie Lindner den Anfang wagte, 1958 die Zwangsversteigerung. Im Westen dann der Neuanfang, der ebenfalls nicht reibungslos verlief: Vom Zusammenbruch der Reformhäuser als exklusivem Vertriebskanal bis zum gelungenen Spagat zwischen Regionalität und Internationalisierung war es „oft ein langer und steiniger Weg“, wie Lindner die Historie des Unternehmens und der Marke mit dem Lindenblatt beschrieb.

Dennoch habe das familiengeführte Unternehmen aus seiner Kerntugend Kapital schlagen können: „Wenn andere sich in Sicherheit begeben, springen wir“, brachte der Jungunternehmer seine und die Haltung seiner Schwester auf den Punkt, die die Marke seit einigen Jahren von Los Angeles aus im US-amerikanischen Markt verankert. Dieser Mut sei der „(un)fair advantage“, so ein Schlagwort aus dem Vortrag, der das Unternehmen zu einem Musterbeispiel unternehmerischer Resilienz gemacht habe. Entsprechend froh seien er und seine Schwester, „dieses Ziel erreicht zu haben“: Die Nummer eins im deutschen Reformhausmarkt und ein Wegbereiter für regional hergestellte, international gefragte Naturkosmetik.

Den Verbraucher verstehen

Vom Familienunternehmen ging es zurück zu einem Weltkonzern, dessen Produkte wortwörtlich überall zu Hause sind. Procter & Gamble, kurz P & G, entwickelt und produziert Produkte von Marken wie „Always“, „Pampers“ oder „Gillette“, die rund fünf Milliarden Menschen weltweit den Alltag erleichtern. Doch nicht etwa mit schlichter Massenware, sondern mit durch und durch klug konzipierten, laufend verbesserten Artikeln. „Wir versuchen, den Lebensalltag der Verbraucher zu verstehen, um diesen ein Stück weit besser zu machen – für diese und kommende Generationen“, beschrieb Astrid Teckentrup den gezielt nachhaltig orientierten Ansatz, der bei P&G kein Lippenbekenntnis darstellt.

Im hessischen Schwalbach befindet sich das German Innovation Center (GIC), um Produkte, allen voran Papierhygieneartikel, weiterzudenken. Die 1.400 Beschäftigen bilden das größte Zentrum für Forschung und Entwicklung von P&G außerhalb der Vereinigten Staaten. Und das nicht ohne Grund: „In Deutschland ist Qualität zuhause“, gab Teckentrup auf Böchers Frage zu verstehen, welche Rolle der Standort Deutschland in der internationalen Konzernstrategie spiele. Hier arbeiteten Menschen unterschiedlicher Nationen und Hintergründe, mit je eigenen Fähigkeiten und Perspektiven – essenzielle Voraussetzungen, um hochwertige Lösungen zu entwickeln und zu vermarkten. „Vielfalt gehört für uns zum Geschäft“, betonte Teckentrup und brach damit in den gegenwärtig unschönen Zeiten von Spaltung, Hass und Hetze eine Lanze für die Diversität.

„Deutschland bietet ein optimales Ökosystem aus Forschung, Industrie und Gesellschaft“, so Teckentrup weiter, und sei deshalb maßgeblich für das in Generationen planende Unternehmen. So auch der Zusammenschluss von Menschen über fachliche und geografische Grenzen hinaus: „Innovationen sind keine Einzelleistung. Neue Ideen entstehen in Kooperation“, hob die Vorstandsvorsitzende hervor und würdigte damit den Gründergeist, den auch ihre Vorredner hervorgehoben hatten. Bereits der Ursprung von P&G geht auf zwei Menschen – den englischen Kerzenzieher William Procter und den irischen Seifensieder James Gamble – zurück. Beide taten sich zusammentaten, brachten ihre jeweiligen Kompetenzen ein und legten so den Grundstein für ein Projekt, zu dem der Einzelne nicht fähig gewesen wäre. Nur so, hob Teckentrup resümierend hervor, könne Zukunft entstehen.

Abbildungen: Deutsches Verpackungs-Museum