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(12.07.2016 / saj)

"Kunden setzen Print 4.0 um"

Im VDMA-Interview erklärt Baumann-Geschäftsführer Volkmar Assmann (Bild), warum er die voll vernetzte Druckerei als Chance für sein Unternehmen sieht, und wie die grafische Industrie Wachstumschancen bietet.

Die Baumann Maschinenbau Solms GmbH & Co. KG vernetzt und automatisiert Prozesse rund um das Schneiden. Der Mittelständler mit 80 Beschäftigten setzt auf Forschung und Entwicklung und modularisierte Technik, um schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können.


Herr Assmann, können Sie uns Ihr Unternehmen kurz vorstellen?


Die Anfänge liegen in den 1960er-Jahren. Die Baumann-Gruppe hat damals die Wohlenberg-Schneidemaschine vertrieben und seinerzeit damit begonnen, Peripheriegeräte dafür zu entwickeln. Ziel war es, Schneidesysteme liefern zu können. Das Ganze hat sich gut entwickelt und 1978 zur Gründung von Baumann Maschinenbau Solms geführt. Seither bieten wir Schüttelmaschinen, Stapelheber, Lufttische und Ladegeräte an, die wir heute entwickeln, bauen und vertreiben. Unser Eigenanteil an der Fertigung liegt bei über 80%. Unsere Ausbildungsquote beträgt gut 10% inkl. drei bis vier Studenten aus dualen Studiengängen, die wir in aller Regel bei uns behalten. In der Forschung und Entwicklung sind es zehn Mitarbeiter. Wir sind dadurch in der Lage, Ideen schnell umzusetzen und auf veränderte Kundenwünsche zu reagieren…


…und es hält Ihr Unternehmen jung…


Es macht richtig Spaß zu sehen, wie die jungen Leute bei uns in die Verantwortung hineinwachsen und mit welcher Kreativität sie zu Werke gehen. Wir haben in den letzten Jahren einen Generationswechsel eingeleitet und teils junge Leute von unter 30 Jahren in Führungspositionen. Wir haben auch in den zuletzt schwierigen Zeiten darauf gesetzt, uns personell und technisch weiterzuentwickeln. Denn der Markt hat sich grundlegend verändert und fordert andere Maschinen und Systemlösungen als noch vor zehn Jahren. 


Sie setzen auf Schneiden 4.0. Was verbirgt sich dahinter? 


Ein voll vernetzter, weitestgehend automatisierter Schneideprozess. Wir haben das auf der Drupa 2016 vorgestellt. Wir bieten heute über alle Formatbereiche hinweg automatisierte Lösungen und haben den Anspruch, Kunden für jede Aufgabenstellung rund um das Schneiden die passende Lösung anbieten zu können. Wir hören unseren Kunden genau zu, beraten sie intensiv und liefern ihnen dann eine maßgeschneiderte Systemlösung aus unserem Baukasten. Wir haben unsere Maschinen modularisiert und die Prozesse, in die sie eingebunden sind, automatisiert.   


Inwieweit unterstützen Ihre Lösungen häufige Auftrags- und Formatwechsel?  


Genau dafür sind sie gemacht. Internetdruckereien haben den Markt stark verändert. Auch Druckereien, die früher nur gedruckt haben, bieten mittlerweile Weiterverarbeitung und Veredelung an. Der Kostendruck ist enorm, die Lieferzeiten sind kurz und die Arbeit aufgrund sinkender Auflagen kleinteiliger. Die einzige Möglichkeit, dennoch produktiv und wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, ist Automation. Schneiden 4.0 ist unser Beitrag zur voll integrierten Prozesswelt von Print 4.0. Digitalisierung bietet die Chance, Rüstzeiten im Schneideprozess komplett zu eliminieren. Schneideprogramme für wechselnde Aufträge und Sammelbogen erstellt unser Gamma-System automatisch anhand von Daten aus der Vorstufe. Schütteln, Zwischenlagern der geschüttelten Lagen, Transport zum automatisierten Schneiden und das Abladen sind komplett automatisiert. Das Ganze ist in ERP-Systeme eingebunden. Der Prozess ist gläsern, die Produktionsdaten sind in Echtzeit einsehbar. Auftrags- und Kostenkontrolle sind ebenso gegeben wie eine ständig aktuelle Materialhaltung, die durch Service 4.0 ebenfalls automatisiert erfolgt.


Wer fragt solche Lösungen nach?


Es sind die Druckereien aus Hochlohnländern, die den Kostendruck spüren und darauf mit Automation reagieren müssen. Wir haben auf der Drupa eine Intensität in den Gesprächen und im Informationsbedarf gespürt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Druckereien reden nicht nur über Print 4.0, sondern setzten das mit Hochdruck um. 


Birgt Print 4.0 für kleinere Anbieter die Gefahr, dass die Großen die Prozessketten als Gesamt-Systemanbieter aus einer Hand unter sich ausmachen?


Diese Gefahr sehe ich nicht. Wir bieten in sich eigenständige Lösungen für den Schneideprozess, der in den letzten Jahren oft stiefmütterlich behandelt wurde. Im Bestand sind viele Maschinen aus den 1970ern. Der Automationsdruck löst jetzt Investitionen aus. Und unsere Lösungen sind gefragt, zumal die Anbindung in die Prozessketten auf Basis des JDF-Standards recht problemlos ist. Abgesehen von kleineren Anpassungen können wir uns an jedes JDF-basierte System andocken. Die Vernetzung ist so unabhängig vom Hersteller möglich und funktioniert in aller Regel schon heute per Plug & Play. Dadurch, dass wir unsere 4.0-Lösungen in übergeordnete ERP-Systeme einbetten, sehe ich keinerlei Gefahr, verdrängt zu werden. Eher erwarte ich Wachstum im grafischen Bereich.


Die Branche fasst frischen Mut. Denken Sie dennoch über Diversifizierung nach? 


Wir haben das seit 2008 sehr vorangetrieben. Nach wie vor größter Bereich ist die grafische Industrie. Aber wir haben vier weitere Standbeine: Wertpapierherstellung, Verpackungsmarkt, Zuführsysteme für Messmaschinen und Lohnfertigung. Alle tragen inzwischen in stetig steigendem Maß zum Umsatz bei – und ergänzen sich sehr gut. Was wir für den Wertpapier- oder Verpackungsbereich entwickeln, lässt sich oft auch auf die anderen Felder übertragen. 


Wie sieht es mit der Internationalisierung aus?


Noch bleiben 90% unserer Maschinen und Systemlösungen in Europa. Auf der Drupa haben wir intensive Gespräche mit Vertriebspartnern aus Asien, Ozeanien und Südamerika geführt und einige Verträge abgeschlossen. Wichtig ist für uns, dass die Partner im grafischen und im Verpackungsbereich aktiv sind. Wir wollen beide Märkte in Übersee parallel adressieren - und in beiden wachsen.


Was sehen Sie, wenn Sie sich Baumann Maschinenbau Solms im Jahr 2030 vorstellen?


Zuerst mal einen neuen Geschäftsführer, weil ich dann den Ruhestand genieße. Ich denke aber, dass wir viele Weichen richtig gestellt haben und unsere zuletzt positive Entwicklung weitergeht. Der grafische Bereich wird eine tragende Säule bleiben, aber er wird nicht in dem Maß wachsen, wie unser Verpackungsbereich. Wir müssen unsere hohe Flexibilität und Kreativität beibehalten, um mit dem hohen Innovationstempo Schritt zu halten. Das traue ich unserer jungen Generation auf jeden Fall zu.