NEWS

(16.08.2017 / saj)

Neue Division für einen Zukunftsmarkt

Die Chromos GmbH gründet die neue Division "Digital Label Printing". - Ein Gespräch von Klemens Ehrlitzer mit Sven Hülscher (Bild), dem Leiter der neuen Unternehmenseinheit, über die Marktentwicklung des Inkjetdrucks.

Es ist allgemein bekannt, dass der Digitaldruck ein Wachstumsmarkt ist. Und doch weckt die Chromos GmbH Neugierde mit dem Entschluss, eine eigenständige Division "Digital Label Printing" einzurichten. In einem Gespräch erläutert der Leiter der neuen Division erläutert, wie er die aktuelle Situation des Inkjetdrucks in der Etikettenindustrie einschätzt und welches Ziel seine Handelsfirma mit dieser strategischen Entscheidung verfolgt. 


Der gelernte Offsetdrucker hat fünf Jahre im Bogendruckbereich gearbeitet, bevor er über den Umweg des Formulardrucks schließlich im Etiketten- und Verpackungsdruck angekommen ist. Dort hat er zunächst Erfahrungen mit den verschiedenen konventionellen Druckverfahren gesammelt, bevor er sich zuletzt intensiv mit allen Facetten des Digitaldrucks beschäftigt hat. Das Fachwissen, das er sich so über die Jahre aufgebaut hat, kommt ihm in seiner neuen Aufgabe sehr zugute. 

 

Beratung im Sinne des Kunden


Die Gründung der Unternehmenseinheit "Digital Label Printing" folgt dem wachsenden Bedarf an spezialisierter Dienstleistung. "Angesichts eines extremen Wandels im Etikettendruck suchen viele Anwender aktuell nach beratender Expertise. Sie erwarten von ihren Lieferanten umfassende Informationen, die ihnen die Entscheidung für das richtige System ermöglichen. Weil es speziell bei Anwendungen im schmalbahnigen Digitaldruck jedoch selten universelle Lösungen gibt, ist umfangreiches Know-how erforderlich, um zusammen mit den Kunden für jede individuelle Ausgangssituation den geeigneten Lösungsweg zu finden. Eine besondere Herausforderung für die neue Abteilung ist dabei noch die schwerpunktmäßige Ausrichtung auf den Inkjetdruck", sagt Hülscher. 


Im Vergleich der verschiedenen Digitaldruckverfahren  verfügt der Inkjet in der aktuellen Situation über ein besonders großes Innovationspotenzial. Die tonerbasierten Systeme haben sich bekanntlich im Etikettendruck einige Jahre früher etabliert. Das hat ihnen einen Vorsprung verschafft, der sowohl im Produktionsalltag als auch an den Marktanteilen ablesbar ist. 


So haben die Installationszahlen der Digitaldruckanbieter in den letzten Jahren die Verkäufe traditioneller Maschinenhersteller z.T. deutlich überholt. Die Tonerverfahren gelten als weitgehend ausgereift. Folglich sind auch die Spielräume für größere Entwicklungssprünge in vielen Bereichen ausgereizt. 


Noch viel Innovationspotenzial


Für den Inkjet gibt es dagegen noch sehr viel Potenzial. Fortschritte sind vor allem bei der Druckkopftechnik und der Software-Entwicklung, z.B. für die Steuerung, zu erwarten. Wurde der tonerbasierte Digitaldruck vor rund zehn Jahren vor allem an den üblichen Entscheidungskriterien wie Produktionsgeschwindigkeit oder Druckqualität gemessen, so sehen sich nun heute die Anbieter von Inkjetsystemen mit diesen Fragen konfrontiert. 


In puncto Geschwindigkeit konnte der Inkjet mittlerweile mit dem Tonerdruck gleichziehen oder ihn sogar schon überflügeln. Bei der Druckqualität ist ein Vergleich schwieriger, da manche Kriterien je nach Blickwinkel Vor- oder Nachteil sein können. 


Ein Beispiel ist die in vielen Fällen leicht erhabene Struktur bei Inkjet-gedruckten Motiven. Abhängig von der Anwendung ist dies für die einen ein Makel und für die anderen ausdrücklich erwünscht. Weil die Formulierung der Tinte und die Tröpfchenform die Ursache sind, erwartet Hülscher die Lösung auch auf diesem Gebiet. Die Schichtdicke wird demnach in Zukunft über die Auswahl geeigneter Tintensysteme bestimmt. 


Künftig hybride Tintensysteme? 


Mit hybriden Formen, z.B. wasserbasierten und UV-Tinten in Kombination, könnte der Tinte bei der Trocknung im ersten Schritt das Wasser entzogen werden, um dadurch den Schichtaufbau zu reduzieren. Die endgültige Aushärtung würde über eine UV-Bestrahlung erfolgen. 


Ein Minimum an Schichtdicke wird am wahrscheinlichsten mit rein wasserbasierten Tinten erzielt. Derzeit verfügbare Systeme ermöglichen bereits Ergebnisse in guter Qualität. Allerdings erfordern sie Bedruckstoffe, die mit einem Primer vorbehandelt sind. 


Das seit Jahren diskutierte Nanography-Verfahren hat in diesem Punkt eventuell einen Vorteil, weil die Tinte erst auf ein Drucktuch und dann auf das Substrat übertragen wird. Bei diesem Vorgang kann ein Großteil des Wassers entfernt werden. Allerdings gibt das Verfahren nach Ansicht Hülschers dadurch einen der größten Vorteile aus der Hand: die direkte Bedruckung ohne Einsatz einer Druckform. Schließlich hat er die Erfahrung gemacht, dass Zwischenschritte stets auch eine Fehlerquelle darstellen. 


Schwieriger Spagat 


Auch in Sachen Auflösung muss sich der Inkjet konträren Anforderungen stellen. Im Einsatz sind Systeme, die sehr hohe Auflösungen ermöglichen. Sie erfordern jedoch Tinten mit geeigneter chemischer Zusammensetzung und entsprechend feinen Pigmenten. Speziell migrationsarme Tinten lassen sich bislang noch nicht in jener Viskosität formulieren, die für hochauflösende Druckköpfe gefordert ist. 


Deshalb vermutet Hülscher, dass auch in diesem Fall die bereits erwähnten hybriden Tinten oder rein wasserbasierte Systeme mögliche Lösungen sein könnten. Tinten auf Lösemittelbasis gibt er in diesem Bereich aufgrund des großen Aufwands zur Vermeidung von Restlösemitteln nur geringe Zukunftschancen. 


Trend zu Hybrid  


Im Druckmaschinensektor ist der Trend zu Hybridsystemen ebenfalls unübersehbar. Die Integration einer Inkjet-Druckeinheit in eine konventionelle Maschine haben momentan alle namhaften Hersteller der Branche im Angebot. Auch Hülscher kann praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet vorweisen. Schließlich betreut sein  Unternehmen mit Durst und Omet zwei Firmen, die gemeinsam eine Hybridlösung – bestehend aus einer Tau 330 und einer X-Flex X6 – entwickelt haben.


Für ihn ist entscheidend, welche Rolle die beiden Partner in einer solchen Kooperation einnehmen. Eine Zusammenarbeit verspricht vor allem dann Erfolg, wenn die Inkjet-Einheit als Herzstück gesehen wird. Zumindest sollten die Partner bei Vertrieb, Installation und Service gemeinsam agieren. Dem Inkjet-Anbieter fällt eine Schlüsselrolle zu, weil die Steuerungstechnik analoger Module für Druck- oder Verarbeitungsprozesse im Vergleich zu digitalen Inkjet-Druckeinheiten in der Regel weniger komplex ist. 


In vielen Fällen kaufen traditionelle Maschinenbauer Inkjet-Einheiten im Markt, um sie in Eigenregie in konventionelle Modelle zu integrieren. In der Folge müssen sie sich sehr viel unternehmensfremdes Know-how aneignen. Ein Großteil des Hintergrundwissens ist jedoch gar nicht ohne weiteres transferierbar, da er während der Entwicklungsphase eines Inkjet-Systems entsteht. 


Intensive Beratung 


Die Chromos GmbH setzt bei der angebotenen Hybridlösung auf das Prinzip "Know-how aus einer Hand". Das Unternehmen stellt bei Beratung, Vertrieb und Service zusammen mit den Partnerfirmen Durst und Omet dar, wie digitale und analoge Technik zu einem effizienten ineinandergreifenden Hybridsystem verzahnt werden können. 


"Bei der Beratung im Vorfeld einer Installation steht für uns im Vordergrund, welche Kombinationen in der Praxis geeignet sind, die Anforderungen des Kunden sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht zu erfüllen. Eine Inline- oder Near-Line-Lösung, die für einen Kunden sinnvoll ist", sagt Hülscher, "kann für den nächsten komplett fehl am Platz sein, weil für ihn z.B. ein Stand-alone-Gerät oder eine Offline-Lösung besser geeignet sind." 


Im Verantwortungsbereich der Chromos GmbH ist aktuell eine ausgewogene Zahl an Near-Line-Lösungen und Stand-alone-Systemen installiert. Erstere sind mehrheitlich mit Werken für den Flexo- oder Siebdruck und Stanzaggregaten sowie mit Einrichtungen zur Bahnwendung oder zusätzlichen Abrollungen ausgestattet, um so maßgeschneidert die indivuellen Forderungen der Kunden abzudecken. 


Integration als Ziel


Die derzeit angebotenen Hybridanlagen, bei denen digitaler und analoger Teil jeweils noch autark gesteuert werden, sind in den Augen Hülschers ein Zwischenstadium bei der Entwicklung zu voll integrierten Systemen. Am Ende dürfte vermutlich derjenige Anbieter digitaler Etikettendrucksysteme die Nase vorn haben, der in einer Produktionslinie sämtliche Vorteile beider Verfahrenswelten verwirklicht. 


Dazu gehören eine nahezu makulaturfreie Fertigung ebenso wie ein nahtloser Anschluss beim Jobwechsel oder das automatische An- bzw. Abstellen einer Lackierung mittels Code-Markierung. 


Die Entwicklung in Richtung integrierter Lösungen wurde zuletzt durch die wachsende Verbreitung der Inkjet-Systeme beschleunigt. Bei tonerbasierten Drucksystemen war die Offline-Verarbeitung zu Beginn in neun von zehn Fällen die Standardlösung. Seit sich jedoch die Geschwindigkeiten von Druck- und Verarbeitungseinheiten angenähert haben, setzen immer mehr Inkjet-Anwender auf die Inline-Fertigung, wie sie bei der konventionellen Produktion seit jeher im Einsatz ist. 


Offenes Ohr für Bedarf


Einen wertvollen Vorteil sieht Hülscher in der großen Bandbreite unterschiedlicher Lösungen, welche die Chromos GmbH in ihrer speziellen Situation als Handelsunternehmen anbieten kann. So ist die Zusammenarbeit mit Smag Graphique z.B. auch deshalb interessant, weil dadurch neben Systemen zur Konfektionierung auch eine Laserstanze verfügbar ist. Der französische Maschinenhersteller ist seit 2014 für den Vertrieb der Spartanics-Laser in Europa verantwortlich. 


Die Chromos-Gruppe verfügt zudem über Ansprechpartner in etlichen weiteren Produktsegmenten des Etikettendrucks. Und selbst wenn Interessenten die Kombination mit Peripheriesystemen externer Anbieter wünschen, ist die Abteilung "Digital Label Printing" für eine Integration offen. 


Im Sinne der Unternehmensstrategie beschränkt sich die Betreuung nicht allein auf den Verkauf, sondern umfasst alle Bereiche - von der Inbetriebnahme über die Schulung bis hin zu Ersatzteillieferung und Service. Seit Anfang des Jahres hat Chromos deshalb mit Andreas Miller einen Maschinenbautechniker, der speziell für die technische Betreuung im Digitaldruck verantwortlich ist. 


Die Aktivitäten der neuen Abteilung haben sich im ersten halben Jahr nach der Gründung so erfolgreich entwickelt, dass das Unternehmen bereits auf der Suche nach weiteren Technikern ist. 


Abgestimmte Workflow-Lösung


Bei der Qualifikation der Mitarbeiter steht im Mittelpunkt, dass sie mit allen Aspekten des Digitaldrucks von der Vorstufe bis zur Verarbeitung vertraut sind. Schließlich ist eine wirtschaftliche Produktion maßgeblich davon abhängig, wie gut die Daten im Workflow verarbeitet werden. 


Ein guter Workflow erfüllt heutzutage längst weit mehr Aufgaben als die bloße Umrechnung einer vierfarbigen Abbildung mittels Rip (Raster Image Processor) in ein Rasterbild. Um gezielt Inkjet-spezifische Anforderungen berücksichtigen zu können, hat Durst mit "Workflow-Label" ein eigenes Produkt entwickelt. Es deckt alle Vorstufenprozesse ab, die vom Datenmanagement über die Aufbereitung der Druckdaten bis hin zum Einspeisen in das Drucksystem und die Dokumentation reichen. 


Dis Lösung besteht aus einer Reihe von Modulen und ist erweiterbar. Erhältlich sind z.B. Module für den Druck von variablen Daten, die Kalkulation von Tintenverbrauch und -kosten sowie für das Farbmanagement. Bei der steigenden Zahl von Printjobs, die möglichst auch noch just-in-time zu liefern sind, wäre eine manuelle Bearbeitung der Daten nicht mehr profitabel. 


Traditionelle Technik herausgefordert
Kürzere Durchlaufzeiten pro Job erwarten sich viele Anwender auch durch das Stanzen mittels Laser. Diese Technik konnte in den letzten Jahren große Fortschritte erzielen, was Geschwindigkeit, Schnittgenauigkeit, Toleranzen oder Schnittbreiten betrifft. 


Beim jetzigen Stand der Technik hat sie gute Chancen, sich z.B. über typische Einsatzgebiete im Bereich der Web-to-Print-Shops - wie Kleinserien, Bemusterung oder private Anwendungen - zu etablieren. Bevor sie nach Einschätzung Hülschers allerdings massentauglich werden kann, besteht in der täglichen Praxis noch Entwicklungsbedarf bei einer ganzen Reihe von Anforderungen. 


Parallel zur Entwicklung der digitalen Systeme ist festzustellen, dass die konventionelle Stanztechnik mit Schnellwechselsystemen sowohl Rüstzeiten als auch Makulaturquoten erheblich reduzieren konnte. Überhaupt setzt der Wettstreit zwischen digitalen und analogen Verfahren enormes Potenzial frei. Seit der Digitaldruck immer stärker in den Markt drängt, verzeichnet auch der Flexodruck beträchtliche Entwicklungssprünge. Teilweise wurden Makulaturraten nahezu halbiert. 

 

Zwei Wege der Investitionsplanung


Den Vormarsch der Digitaldrucksysteme wird das jedoch nicht aufhalten. Inzwischen gibt es kaum eine Etikettendruckerei, die sich nicht zumindest theoretisch mit dieser Thematik beschäftigt. 
Sobald es mit der Planung einer Investition in den Digitaldruck ernst wird, beobachtet Hülscher zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die häufig von der Größe eines Unternehmens geprägt sind: "Kleinere Etikettendruckereien agieren erfahrungsgemäß stark praxisbezogen. Sie beziehen sich fast immer auf konkrete Anwendungen, die mit einem neuen Drucksystem realisiert werden sollen. Im Idealfall können sie sich bei einer Live-Demo mit eigenen Augen überzeugen, ob das Ergebnis aus Sicht der Kunden akzeptabel wäre."


Den Ansatz von größeren Druckereien beschreibt er als meistens deutlich theoretischer: "Dort werden bei entsprechenden personellen Kapazitäten in der Regel zunächst umfangreiche Recherchen im Rahmen eines Projektes durchgeführt. Die dabei gesammelten Detailinformationen über die wichtigen im Markt angebotenen Technologien dienen anschließend als rationale Entscheidungsgrundlage."


Unterschiede in der Beziehung


Diese Ausführungen lassen interessante Rückschlüsse auf mögliche Unterschiede in den Beziehungen zwischen Druckerei und Kunde zu. Der praxisbezogene Ansatz erscheint dabei gleichzeitig auch kundenorientiert. Für bekannte Markenartikelfirmen könnte es bei speziellen Projekten eventuell empfehlenswert sein, den Kontakt auch zu kleineren Etikettendruckereien zu suchen. Vielleicht ist dort so manche innovative Lösung bereits realisiert, die andernorts erst aufwendig entwickelt werden müsste. 


Kundenbezogene Beratung ist auch für Sven Hülscher der Schlüssel zum Erfolg mit der neuen "Division Digital Label Printing". Erleichtert werde das Halten der Erfolgsspur durch die aktuell hohen Wachstumsraten im Segment des Digitaldrucks. Die Koexistenz von  analogen und digitalen Produkten in einem gesunden Wettstreit sei weiterhin förderlich für den Erfolg der gesamten Unternehmensgruppe.